Dietmar Moews: SCHACH DEM KÖNIG – Ballhof-Galerie Hannover und U 7 OPQ

März 2, 2015
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vom Dienstag, 3. März 2015

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Vorne links: „Drahtfigur“ aus Maschendraht von Joachim Böhmeke, Franz Otto Kopp mit Tabakspfeife, Joachim Peters-Schnée mit Kochmütze und Mattstellung, dahinter  Dietmar Moews mit Polizeimütze, Joachim Böhmeke, hinten Ernst-August-Reiterstandbild, Hannover – Hauptbahnhof

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SCHACH DEM KÖNIG“ waren Ausstellung und Aktionen von Dietmar Moews, Joachim Böhmeke, Franz Otto Kopp und Joachim Peters-Schnée in der Ballhof-Galerie Hannover und am Ernst-August-Platz vor dem Hauptbahnhof Hannover.

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Ballhof-Galerie Hannover und Neue Sinnlichkeit

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Es kamen die beeindruckenden lebensgroßen Maschendrahtfiguren von Joachim Böhmeke zur Ausstellung,

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JOACHIM BÖHMEKE

JOACHIM BÖHMEKE

 

zahlreiche Menschenbilder-Fotos aus der 1980er Musikszene von Joachim Peters-Schnée, darunter sein Photokina-Preis-Bild „Motörhead“.

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JOACHIM PETERS-SCHNÉE

JOACHIM PETERS-SCHNÉE

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Ballhof-Galerie Hannover von Dietmar Moews 1980, Hannover Altstadt Ballhoftstraße 8

Ballhof-Galerie Hannover von Dietmar Moews, Hannover Altstadt Ballhoftstraße 8

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Es gab diverse ingeniöse Bildobjekte von Franz Otto Kopp, Vexierbilder sowie Polaroids und bearbeitete Polas – “natürlich“ als Selbstläufer seine neuesten Draht-Schreitmobile

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Franz Otto Kopp Schreitmobil mit Kopp-lungsgetriebe

und von Dietmar Moews waren da großformatige Ölbilder, das zur Taufe des neugeborenen Flusspferdes im hannoverschen Zoo, „Willi“ sowie das drei Meter breite lebensgroße „Die Kathedralen des weißen Nilpferds“.

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Winfried Wolf fotografiert: Dietmar Moews vor der Ballhof-Galerie Hannover

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Zum Ausstellungsbeginn entstand das Pola „SCHACH DEM KÖNIG“, mit Moews, Böhmeke, Kopp und Peters sowie dem rot-grünen Schachbrett-Objekt.

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Radovan Schenk demonstriert mit einem großen Moews-Bild am Ernst-August-Denkmal

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Ferner kam es zu Demonstrationen am Ernst-August-Reiter-Denkmal – mit verschiedenen weiteren Akteuren und großformatigen Moewsbildern.

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Höhepunkt war die Sprühaktion am Ernst-August-Denkmal. Dietmar Moews hatte das Raschplatz-Nachtensemble eingeladen, „mal kurz die Leiter zu halten“. Es hatte ein Stadt-Marketing-Freund das zur Restauration in die Bronze-Werkstatt abtransportierte Reiter-Standbild durch eine entsprechend große Holzkiste mit Schwanz, voller Sand, ersetzt und drauf geschrieben:

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„BITTE NICHT STUERZEN  – INHALT: 1 KÖNIG“

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Dieser auf Harmlosigkeit aufgelegte Stadtmarketing-Gag sollte eine interaktive Belebung und Aktualität erhalten, indem die Vergiftung unserer hannoverschen Landschaft durch Radioaktivität vom havarierten Atom-Supergau aus Tschernobyl eine semantische Bearbeitung erhielt:

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„BITTE NICHT STUERZEN – INHALT (1 König durchgestrichen)  radioaktiver SAND.

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Ganz nebenbei wurde die widersinnige Beschriftung der SAND-Kiste, durch Benutzung von „STUERZEN“, Umlaut UE / Ü und „KÖNIG“, Umlaut Ö, durchgestrichen. Stattdessen das Symbol für radioaktive Gefahr und der in Versalien mit schwarzer Farbe aufgesprayte Begriff „SAND“ hinzugefügt.

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  Es war am 26. April 1986 infolge der Tschernobyl-Supergau-Atom-Katastrophe, der extremen Wetterlage und entsprechenden Niederschlägen, eine unheimliche radioaktive Vergiftung in Deutschland, auch der norddeutschen Landschaft, die entsetzliche Situation – sodass die Sandkiste von Ernst-August vor dem hannoverschen Hauptbahnhof ein passendes Objekt war, hier zur politischen Kunstaktion zu kommen.

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Wir hatten einen LKW, eine ausziehbare Alu-Leiter von über sechs Meter Länge, einen feinen dunkelblauen Anzug, ein offiziales Schreiben der hannoverschen Kulturverwaltung an Dietmar Moews zur Irritation des Ordnungspersonals (statt einer Genehmigung), eine Spraydose, eine vorbereitete Schablone „Radioakt. SAND“, einen Personalausweis, einige handfeste Künstler, die sich was zutrauen konnten, einige Fotografen – bald kamen unzählige Taxifahrer hinzu sowie sieben Polizei-Streifenwagen.

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Dietmar Moews meint: Wir hatten die Aktion genau durchdacht. Die Mittel stimmten. Entscheidend waren einige handfeste Leute, die mutig genug waren, sich in gut aufgelegter Stimmung an die Grenze „zivilen Ungehorsams zu begeben“, eventuell einen Konflikt über „Sachbeschädigung oder „unerlaubte Eigenmacht“ zu riskieren.

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Dietmar Moews präsentiert der Polizei sein „Offizialschreiben“

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Erst die südliche Schattenseite der Königs-Kiste – anschließend der Seitenwechsel samt Leiter und Klettern. Während am Fußende ein Kordon unseres Nachtensembles den Stand der Leiter sicherte, und der mutige Maler Hannes Bartels, ebenfalls auf der Leiter die entscheidenden Handlangerhilfen nach ganz oben gab, mal die Schablone hielt, mal die Spraydose.

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Dietmar Moews, rechts, nach der Sprayaktion im Gespräch mit der Polizei

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Was wir nicht in der Hand hatten, war, dass kaum dass unser LKW, der die Leiter transportierte, abgefahren war, die Taxifahrer am Bahnhofs-Standplatz bereits die Polizei alarmiert hatten, die unverzüglich mit Alarmfahrzeugen von allen Seiten auf den Ernst-August-Platz herankurvten und ebensofort eine unübersichtliche Menschenmenge herankam, die nunmehr das Publikum für eine Kunstaktion bildete:

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Hannes Bartels, der Maler unterhält sich

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Erst die südliche Schattenseite der Königs-Kiste – anschließend der Seitenwechsel samt Leiter und Klettern. Unten forderten die Polizisten zum Abbruch der Sprayaktivität – Dietmar Moews war beidhändig in schwindelnder Höhe emsig beschäftigt.

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Das goldene Haar von Angela Hoffmann

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Während ich oben sprühte und nach unten mit den Polizisten über diese „genehmigte Kunstaktion“ disputierte, mischten sich auch Passanten ein, die sofort begriffen hatten, dass hier eine politische Künstleraktion „auf der Kippe stand“. Die dann ihrerseits auf die vielen Polizisten eindiskutierten – man funkte und telefoniert und die vorher informierten Pressefotografen sowie unsere eigenen Fotografen fotografierten die Beschriftung: Inhalt ein radioaktiver König. Und besonders nützlich wirkte unsere eigene Fotoüberwachung der Polizisten, die sich somit ganz friedlich abwartend gaben, Hände in die Hüften gestemmt, Ärmel hoch, Dienstmütze auf:

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http://www.dietmarmoews.com/

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SCHACH DEM KÖNIG“.

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Dietmar Moews „Ballhof-Galerie Hannover“ 140cm/140cm, Öl auf Leinwand

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Franz Otto Kopp 1937-2015 – Kurznachruf

Februar 19, 2015
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vom Donnerstag, 19. Februar 2015

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Der geniale hannoversche Franz Otto Kopp, Konstrukteur, Maler, Sammler und Homme de Lettres ist kürzlich gestorben.

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Geboren am 8. Januar 1937, gestorben am 9. Februar, tot aufgefunden am 12. Februar 2015 in Hannover war Kopp ein deutscher Ingenieur und ab 1976 Dozent am Fachbereich Design und Medien an der Fachhochschule Hannover. Als Oberingenieur an der früheren Technischen Hochschule, dann technische Universität, heute Leibniz Universität Hannover konstruierte er unter anderem den sogenannten Hannoverschen Nachbau der Vier-Spezies-Rechenmaschine von Gottfried Wilhelm Leibniz.

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Kopp studierte Maschinenbau an der Technischen Hochschule Hannover und dissertierte 1973 am Fachbereich Maschinenwesen zum „Dr. Ing.“ unter dem Titel „Ein Beitrag zur Struktursynthese von Mechanismen“. Schon zuvor war er seit 1966 am (heutigen) Institut für Getriebetechnik im Maschinenbau der heutigen Leibniz Universität unter der Leitung von Prof. Dr. Ing. Gerd Kiper tätig, zuletzt bis 2002 als Oberingenieur.

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Das Faszinierende an der (ersten) Rechenmaschine der Welt – konzipiert und realisiert von dem Hannoveraner Hofwissenschaftler Leibniz und der handwerklichen Ausführung durch zahlreiche aus Paris nach Braunschweig bzw. Wolfenbüttel auf Leibniz‘ persönliche Rechnung verpflichteten französischen Instrumentenbauern – war für Franz Otto Kopp die Frage, ob die Leibnizsche Konstruktion, die niemals gerechnet hatte, überhaupt in den beabsichtigten Rechenschritten laufen könne (ab Mitte der 1990er Jahre). Im Rahmen eines Forschungsauftrages der Deutschen Forschungsgemeinschaft konnte Kopp in zwei wesentlichen Schritten die Aufgabe eigenständig lösen:

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EINS Kopp rekonstruierte die vorhandene „Originalruine“ in ihren mechanischen Strukturen (Systemanalyse /Struktursynthese),

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ZWEI Er baute das konstruktive Konzept in einem präzisen Systemnachbau aus Metallen nach, ohne die ornamental verzierte Originalanmutung – Chassis, drehende Teile, Getriebe, Hebel, Schieber, Stellschrauben, Arretierungen.

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Dieser sogenannte Hannoversche Nachbau der Vier-Spezies-Rechenmaschine von Leibniz aus dem frühen 18. Jahrhundert in Hannover, von Franz Otto Kopp, lieferte den Beweis, dass Leibniz‘ Konstruktionskonzept wirklich funktionierte. Lediglich die Manufaktur des Leibniz-Originals war in vielerlei Hinsicht mangelhaft und unvollendet. Justierungen passten nicht usw. Die durch Kopps Forschungsgeist und sein enormes eigenes metallhandwerkliches Geschick schließlich funktionierende Rechenmaschine wurde erstmals 2006 in einer Leibniz-Ausstellung in der Orangerie von Hannover Herrenhausen (wo Kopp geboren ist) der Öffentlichkeit präsentiert.

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Kopps Leibniz-Maschine wurde anschließend in der historisierenden Orignialmimik von anderen Professoren geschickt und in Originalmetallen nachgebaut und publiziert.

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Kopp war einer der letzten handwerklichen Konstrukteure von Mechaniken und Getrieben. So trat er bis zuletzt als „artist ètoile“ auf den alljährlichen VDI-Tagungen auf. Er konnte aus zweidimensionalen Bewegungsmodellen dreidimensionale Getriebe konzeptionieren und begleitend in mathematischen Ansätzen „errechnen“. Kopp musste noch erleben, wie Studenten, ohne noch die Konstrukteurskünste erlernen zu wollen auf Konstruktions-Software und starke Computer umstiegen, sodass in den 1990er Jahren sehenden Auges eine hervorragende Kulturtechnik abstarb. Noch zuletzt diskutierten wir die 3-D-Laserdrucktechnik zur Werkzeugmacherei.

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Kopp hat zahlreiche technische Patente angemeldet und Gebrauchsmuster erarbeitet. Viele seiner Konstruktionen – vom „Autotür-Fensterheber zum Photoapparat-Verschluss“ liefen im Namen seines Universitäts-Instituts.

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Außer der Erwerbstätigkeit als Konstrukteur und Hochschullehrer war Kopp Künstler:

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Er bezeichnete sich selbst auch als Konstrukteur und Maler und hatte über sein gesamtes Leben hin Bilder gemacht. Dazu entwickelte er eigene, teils von mathematischen und konstruktiven Techniken hergeholten und ausvariierten Bild- bzw. Darstellungstechniken. Er skizzierte aber auch und zeichnete, collagierte und baute dreidimensionale Kunstobjekte, machte Siebdrucke, die teils gegenständlicher Natur waren, teils der reinen Formgebung des persönlichen ästhetischen Gefühls, oft auch dem bildnerischen Witz folgten, bis hin zu den sogenannten „Mail Art“ Kunstpostkarten.

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Diese eigenartige Postkartenkunst, die er mit anderen Künstlern in Brief(Postkarten)wechseln des Hin und Hers entfaltete, bestand aus „Einzelwerken“ oder aus korrespondierenden Sequenzen. Dabei waren es sowohl Bildergeschichten, auch Bildersequenzen durch Fotokopie und Bearbeitung der Vormail, teils politische Aktualitäten oder einfach die Ausreizung der Frage, welche künstlerisch gearbeitete Kunstpostkarte beförderte die damalige Post noch fürs einfache Porto? und wann kam eine Wellpappe oder ein ausgeschnittenes Vampirmaul als nicht normgerecht zurück? (auch, wenn oft der Absender gar nicht draufstand – teilweise waren auch „Privatbotschaften für die Postzusteller“ draufgeschrieben). Kopp baute für die Kunstpostkarten kleine A6-Rahmen aus Doppelglas zur Ausstellungsaufhängung mit eigens designten Drahtecken, die gleichzeitig als Halter und Aufhänger dienten, ohne die Betrachtung von Vorder- und Rückseiten der Postkarten zu stören.

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Franz Otto Kopp nahm seit den 1970er Jahren an öffentlichen Kunstausstellungen, Performances, Lesungen, Diskussionen und Aktionen teil, überwiegend in Hannover, auch in München, Magdeburg, Leipzig, Dresden, Springe, Laatzen, Berlin, Köln. In Hannover beteiligte er sich an den Kunstszenerien der Werkstatt Odem (Gesine Weise), Ballhof-Galerie Hannover und Spielplatz der Künste und Kunstmarkt Hannover (Dietmar Moews), dem VVK am Schwarzen Bär, in der Leibniz Universität Hannover sowie zuletzt noch im FAUST Hannover Linden.

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Franz Otto Kopp beteiligte sich außerdem an Gemeinschaftswerken aller möglichen Kunstformen. So war er im Jahre 1992 Mitgründer des „Verein zur Förderung der Wahrheit durch die Kunst des Lügens als Devianzkultur zwischen zweckrationaler, liebender und irrationaler Kommunikation“, kurz „Lügenverein“ (er war mehr für „Bananenverein“). Ebenso sang er viele Jahre in dem hannoverschen Männergesangsverein Lätitia Hannover. Typisch auch seine Signatur „FoKopp“ und seine E-Mail-Adresse „frokati@…de“.

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Franz Otto Kopp war auch Fotograf mit besonderem „Auge“. Hat eine heute noch nicht gesichtete Fülle von photographischen Aufnahmen angefertigt, wozu er eine erhebliche Sammlung verschiedener hochwertiger Photographierapparate gesammelt hatte. Nicht nur experimentelle Super-8-Schmalfilme – es gibt auch ein eigenes umfangreiches Genre von „Polas“, oft weiterbearbeiteter Polaroid-Aufnahmen.

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Als Schriftsteller beherrschte Kopp verschiedene Schreibtechniken, neben den bürokratisch-formalen Textarten, machte er Sprachspiele, schrieb Essays, schrieb Kurzgeschichten und viele davon waren zum Vortrag vor Publikum angefertigt und von ihm selbst mit großem Erfolg vorgetragen (zuletzt noch für die Schlaraffen in Hannover).

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Auch teilte er mit mehreren Schriftstellern das Pseudonym „Layos Dayatos“, der später zum „Professor für Ästhetik“ avancierte.

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Kopp las in vielen Sprachen. Noch in den letzten Jahren studierte er die russische Sprache an Hand von russischen Romanen. Ebenso las er Französisch, Englisch war seine Stiefvaterssprache usw. unfassbar, wenn er aus einem Gitarrenkasten ein 64-saitige Laute nahm und Bach-Klänge hervorzauberte (während das Ding wirklich stimmte).

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Er engagierte sich in der alternativen Kunstavantgarde, bei „Künstler für den Frieden“, unterstützte Anti-Atomkraft-Aktionen und die Alternativbewegung der 1970er und -80er Jahre.

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Franz Kopp war viele Jahre als Autor der „Neuen Sinnlichkeit, Blätter für Kunst und Kultur“ beteiligt, die er auf Lebenszeit abonniert hatte (was hiermit leider beendet wird, sofern er das Abonnement nicht testamentarisch vererbt hat), war Mitglied in der hannoverschen Künstlergruppe 7 OPQ – Kapitalistischer Realismus (Kopp, mit Moews, Crogier, von Velde).

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Seine dreidimensionalen Stift- und Draht-Handzeichnungen, die große Variationsreihe der sogenannten „Schreitmobile“ aus Draht – in Wirklichkeit lauter einzelne patentreife Entwicklungen einschließlich dazugehörigen Patentschriften -, konkret über eine Welle angetriebenen Kopplungs-Getriebe (mit Kardan, Kurbelwelle, verschiedenen Kopplungsgestängen, Handkurbel oder Elektromotor über Polaroidbatterie) oft auf selbsttragenden oder über bewegliche Rahmen oder Chassis laufend, wo er selbst die Ein- und Ausschalter als kleine abgefederte Kippschalter herstellte – Alles aus Drähten handgerödelt, keine Schrauben, keine Nieten, Löt- oder Schweißverbindungen.

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Ein patentiertes „Hängeschreitchen“ namens „Obac“ (jedes Drahtgetriebe trug ein blechernes Namensschild) wurde STAR der Uraufführung des Lustspiels von Dietmar Moews „Der zarte (harte) Nietzsche“ 1993 in der Seidl-Villa München.

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Auch im Raschplatz-Nachtensemble trat Kopp als Schausteller auf. So bei „Die Hunde“ von Dietmar Moews im Jahr 1985, in der Rolle des „Großinquisitors, Kardinals von Sevilla“.

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Als Sammler begeisterte sich Kopp für Musikinstrumente, Schallplatten, besondere Vorlieben für Anton Bruckner, J S Bach, Franz Schubert, Richard Wagner, Wilhelm Furtwängler, aber auch Beatles, Talking Heads und Tuxedo Moon, mit Malerei und Objektkunst, mit originellen Fahrrädern und noch manchem Alltagsdesign, hochwertigster Küchen- und Kocheinrichtungen, MacIntosh-Möbeln, dem legendären Büffelleder-Sofa, wie auch eine bedeutende ausgewählte Bibliothek. Ferner schneiderte und designte er sein Kleidung weitgehend eigenhändig, ob Unterwäsche oder Mützen, Leggins und Badeshorts. Er besuchte die edelsten Konzerte in Philharmonien und die Off-Kultur-Szene – er reiste mit Eisenbahn und Klappfahrrad zu einem Hauskonzert bei Thomas Schmidt-Kowalski in die Eichendorffstraße von Oldenburg in Oldenburg oder freute sich über Beatmusik im U-Spielplatz der Künste, der Künstlergruppe 7 OPQ am Raschplatz von Hannover. Man traf sich beinahe täglich im „Büro“ (dem Italiener „Piazza Navona“ oder an den Ricklinger Teichen, wo Kopp von April bis Oktober zum Schwimmen hinradelte).

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Franz Otto Kopp rauchte leidenschaftlich Tabakspfeife, trank bei Gelegenheit edlen Bordeaux, liebte den britischen Tee, Ritter Sport Vollmilch Nuss und estimierte hübsche sportliche Burschen und Gleichgeschlechtliche. Er engagierte sich in den 68er Jahren für Emanzipation im Allgemeinen und im Sinne des dann abgeschafften Paragraphen 175 speziell. Franz Kopp lebte allein und unverheiratet. Sein Lieblingssatz lautete:

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„Nach dem Ehe-Ja kommt das Ehe-Joch“.

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Doch war Kopp kein Frauenverächter und hatte des ungeachtet eine bedeutende Auswahl von persönlichen auch lebenslangen Freunden und Freundinnen, Künstlern, Ingenieuren, Schwimmern an den Ricklinger Teichen und verrückten Sammlern.

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Im Frühjahr des Jahres 2007 erhielt Franz Otto Kopp die Diagnose einer schweren Krebserkrankung, die seinen Darm befallen hatte. Es folgte dann eine Verschlechterung und schließlich eine äußerst kostspielige Chemo-Therapie und ein erheblicher chirurgischer Eingriff. Mit schweren Handicaps konnte der Rekonvaleszent sein selbstständiges tätiges Rentnerleben wieder aufnehmen. Im vergangenen Jahr 2014 erlebte er noch die prächtige Buchausgabe seiner Rechenmaschine – mit seinem 78sten Geburtstag ergriffen vielseitige Schmerz-Beschwerden seine Persönlichkeit, dass er schrieb:

 

“ … einen Chemiebomber .. sodass ich auf Heilung durch Auswachsen setze – Physiotherapie. Es gilt: „Ich esse diese Suppe nicht, nein diese Suppe ess‘ ich nicht!“

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In der vergangene Woche wurde er vermisst. Die Polizei öffnete seine Wohnung und fand da Kopp gestorben, bereits einige Tage tot – mehr ist momentan nicht bekannt.

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Franz Otto Kopp, der als Schüler in Illertissen/Ulm und Hannover, als Jugendlicher, nach dem Krieg, mit seinem britischen Stiefvater und seiner Mutter in England lebte, war sehr an seiner Heimatstadt Hannover und seiner Heimat-Universität gelegen. So hat er vielfältige Angebote, ordentlicher Professor in einer anderen Stadt werden zu sollen, immer wieder verschoben und letztlich abgelehnt. So hat er viele Jahre glücklich in Kirchrode ein Haus mit Garten, unglaublicher Werkstatt mit Filigran-Drehbank und Photolabor bewohnt, von wo er täglich bei Wind und Wetter mit Fahrrad 15 Kilometer durch den Stadtwald und wieder zurück in die Ostfeldstraße radelte, während sein knattergelber Mini-Cooper als Laubfänger vor der Tür parkte.

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Man kann gespannt sein, was noch in der Zukunft, jetzt, nach seinem Tod, an Franz Otto Kopp-Werken bekannt werden wird. Der Verlust lässt die Heide zittern.

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Die öffentlich freie Trauerfeier findet am 4. März 2015 um 13 Uhr im Versammlungsraum des Neuen Nikolai Friedhofs An der Strangriede 41 in Hannover statt.

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Es wurde eine anonyme Urnenbestattung veranlasst, d. h. die Urne wird nicht im Beisein der Trauergemeinde beigesetzt und es wird keine örtlich definierte persönliche Grabstelle mit Namenskennzeichnung geben.

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Heft 27 von 1993 war Franz Otto Kopp gewidmet.

Es wird in Kürze ein Franz Otto Kopp Heft 66 rauskommen.

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John Mayall: Eine Freundin emailt – Doktor Winterlatt antwortet

März 27, 2014

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am 27. März 2014

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Der Gruß

Lieber Kuckuck, wie immer beschäftige ich mich mit Flucht. Für John Mayall (80 Jahre) im Capitol gibt es Karten. Kennt den keiner mehr oder hat die Ticketverfügbarkeit bei bescheidenen (vermute ich ) max 1000 Zuhören andere Gründe? Du bist ja eifriger Zeitungsleser und hast vielleicht mal eine Kritik seines Schaffens in neuerer Zeit gelesen. 40€ ist verglichen mit den Stones eine andere Welt, aber ein Ärgernis „wäre ich doch lieber ins Kino und zum Italiener gegangen“ muss auch nicht sein.

Die Antwort

Stoneskenner von damals. Das ist ein fortlaufendes Akquisebusiness, das Leute wie Jagger akzellerieren – gäbe es nur Musiker wie Charly Watts, wären die Stones auch, wo John Mayall ist – wer heute keine Stadien füllt, bekommt keine Studiozeiten und wird nicht gelistet.

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Würde John Mayall auf der Brooklyn Bridge oder auf Fives Avenue auftreten, wie Stones oder McCartney, würde ihn die Polizei wegholen und wie Pussy Riot einbuchten.

Wenn Du Mayall sehen willst, musst Du in kleine Läden gehen, wo er möglicherweise mal auftritt, da tummeln sich viele Superleute – Dave Dee Dozy Beaky Mick and Tich sind überwiegend tot. Kilroy was here – the Move – sind überwiegend tot.

Du lebst noch. Glücksache – wir sind zehn Jahre jünger als die waren.

Demnach leben wir im letzten Achtel des Budgets beim Ansatz von so einer Durchschnittsdauer eines Ex-Lautmusik-Fans mit Faltengesichtern.

Doom and Gloom – finde ich ziemlich gut – ist aber auch bereits verschwunden.

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Die Höhner haben eine neue Platte – in München vorgestellt.

Man kann entdecken, wie sozial auch das individuelle Musikhören aufgeladen ist. So fern du glauben darfst, auch andere würden das gerne hören, ist das eigene Hören in einen sozialen Hintergrund eingebettet, auch wenn du nur alleine hörst. Wenn das Zeug keiner kennt, ist das Hören eine Art Forschungsprojekt. Sicher sind Leute wie ich sozialpsychologisch Elfenbeintürmler und Mavericks – aber davon kann John Mayall nicht leben.

Kuckuck