MARIANNE BIRTHLER: Erinnerungen – ein Buch gelesen

September 3, 2014

Lichtgeschwindigkeit 4847

am Mittwoch, 3. September 2014

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Ich grüße alle meine Freunde und Bekannte, unserer gemeinsamen Vorzeit, die sich hier in eine tägliche LICHTGESCHWINDIGKEIT einfinden. Hoffentlich kann ich Belustigendes liefern.

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Witz / Esprit = als Belustigung für alle, die nicht auf diese Art frommer Lebensdienlichkeit zugeschnitten daherkommen, sondern in eigener Prägung, es aber täglich verdienen: Kommen Sie nach Köln-Südstadt, nördlich Eierplätzchen – da wird es täglich hell und dunkel (selten wirklich hell).

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Jetzt komme ich gleich zu Marianne Birthler – Moment noch:

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Eine täglich, alle Arbeitsfelder der Soziologie – also unseres Lebens – abdeckende Feldarbeit und Nachrichtenerkundung, mit dem Nebenprodukt der täglichen LICHTGESCHWINDIGKEIT, hier im Blog, ist eine schöne Selbstverblödung ein kurzes Leben zu zerschreddern – aber … dazu studiere ich meine Fächer.

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Außerdem leiste ich mir den Luxus relativ impressionistischer Stichproben, neuerscheinende Bücher zu kaufen und zumindest anzulesen (oft schmeiße ich das Zeug in die Ecke und nehme lieber einen Band aus der Gesamtausgabe von Karl Kraus‘ Fackel vor). Denn Eines ist für mich sicher: das Gute soll man immer wieder lesen – das Mittelmäßige durch ein starkes Urteil möglichst ohne Zeitverlust erkennen können und sich sparen.

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Also hier, die Berliner DDR-Frau Marianne Birthler (geboren 1948 in Berlin), die sich den Aufwand machte, ihre Erinnerungen auszuarbeiten. Sie erschienen bei Hanser Berlin unter dem Titel „Halbes Land Ganzes Land Ganzes Leben“ (in Versalien).

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Geteiltes Deutschland im Titel – wo ist die Ostzone?

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Marianne Birthler – sie war Schulministerin im 1990 neugegründeten Land Brandenburg – schreibt auf Seite 250:

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(S. 250) … Der Streit um das Schulgesetz war für mich eine wichtige Lektion. Ich warb leidenschaftlich für das, was ich für richtig hielt, lernte aber auch, Kompromisse auszuhandeln, sie zu akzeptieren und zu ihnen zu stehen. Das war etwas anderes, als mit Freunden kontrovers über den Text einer Protesterklärung zu diskutieren. Jetzt ging es ums Regieren, um politische Konzepte und Entscheidungen, die sehr konkrete Folgen für Menschen hatten.

Mitunter tat das noch richtig weh. Zum Beispiel nach mühsamen Haushaltsverhandlungen, in denen ich einiges erreichen konnte, aber auch Niederlagen einstecken musste. Dann war das „Paket“ geschnürt und würde den Landtag passieren, und ich würde ihm zustimmen. Doch bevor es so weit war, stellte die Opposition manchmal Anträge, deren Inhalt ganz in meinem Sinne war, ob es nun um die Erhöhung des bescheidenen Taschengelds für Heimkinder ging, um die Verringerung von Klassenstärken oder um mehr Mittel für die Weiterbildung von Lehrkräften. Genau für solche Anliegen hatte ich mich ja in den vorangegangenen Verhandlungen eingesetzt, mich aber nicht durchsetzen können. Dann saß ich jedes Mal auf meinem Platz auf der Regierungsbank des Landtags und kämpfte mit mir: Sollte ich, Abgeordnete eines frei gewählten Parlaments, nicht bei jeder Abstimmung meiner Überzeugung folgen? Eine einzelne Stimme würde das Ergebnis ohnehin nicht beeinflussen, aber darum ging es nicht: In mir sperrte sich alles dagegen, einen Antrag, den ich inhaltlich befürwortete, abzulehnen und damit gegen meine Überzeugung zu stimmen. Doch dann, als die Neinstimmen aufgerufen wurden, starre ich geradeaus und hob meine Hand. Es war richtig so. Aber ich fühlte mich nicht gut dabei.

Das ist eine banale Geschichte, über die gestandene Politikerinnen und Politiker nur den Kopf schütteln können. Politik ist die Kunst des Kompromisses, und wer einen mühsam ausgehandelten Kompromiss unter Berufung auf das Gewissen unterläuft, ist nicht automatisch der bessere Mensch. Es könnte sich auch um egoistisches Beharren handeln, um mangelnden Respekt gegenüber hart erkämpften gemeinsamen Positionen, um die Unfähigkeit, politisch zu denken. Doch wo liegt die Grenze? Wo wandelt sich angebliche Politikfähigkeit in Selbstverleugnung und Opportunismus, und wo wird die Treue zur eigenen Meinung zur Prinzipienreiterei und führt in die Isolation? Es sollte in den folgenden Jahren genügend Gelegenheiten geben, darüber nachzudenken, ob ich unter allen Umständen zu meiner Überzeugung stehen würde oder ob ich bereit wäre, sie um eines anderen Zieles willen zurückzustellen… „

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Dietmar Moews meint: Bekenntnisse sind, wenn sie ehrlich zu sein scheinen, wie hier die von Marianne Birthler, respektabel. Dass sie ihre Professionalitätserkenntnisse auf banale Art, auf die Gut / Böse, ehrlich / unehrlich, Kompromiss / kompromisslos verkürzt abklärt, ist Gedankenlosigkeit.

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Sie glaubt, es ginge um Prinzipienstrenge und Standhaftigkeit, oder es ginge um Biegsamkeit und Opportunismus. Und damit werden die christlich-protestantischen bzw. preußischen Tugenden bzw. Hartleibigkeiten ausgetragen. Ein jenseits von Gut und Böse (Nietzsche) und ein diesseits von Gut und Böse von Isaiah Berlin als Modus der sozialen Lebensbejahung – auch als Parlaments-Partei-Abgeordneter und Regierungsmitglied scheint ihr bis heute nicht in den Blick geraten zu sein.

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Bei diesem Buch suche ich nach vertieften Kenntnissen über meine Erlebnisse mit Menschen aus und in der DDR: In der Neuen Sinnlichkeit hatte ich vor 25 Jahren einen bewegenden Aufsatz von Georg Pohl, dem Dresdner in Leipzig, heute in Hamburg, über “Uwe Hankel in der DDR-Sozialpsychiatrie“ publiziert – bei Marianne Birthler stehen knappe Angaben zu „Jugendwerkhof Torgau“. Dazu Birthlers Vorstellungen zu Vergangenheits-Aufarbeitung / -Bewältigung als wünschenswerter Vorstellungsorientierung. Wer das nicht kannte, muss besser still sein.

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Es ist für eine gewisse Birthler-Kundschaft sicher eine bedarfsorientierte Vorstellung – dagegen aus meiner Sicht ist es die gefühlige Rückgewendetheit, statt die Zukunft von Vorurteilen abzudämpfen und eine Vorurteilsbefreiungskonzeption zu proklamieren (wohl wissend, das Menschsein heißt: Vorurteilsbeladen und traditionell zu sein und werden zu müssen).

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Wie kann ich, wie können wir in Tradition, in Abhängigkeiten, in Veränderlichkeiten miteinander unser Leben entfalten?

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Wie lassen sich dabei Daseinvorsorge und Zukunftsgestaltung organisieren, während mehr neue Probleme entstehen als gemeinsam gelöst werden können?

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Es wird stets gleichzeitig immer eine Problemverdrängungs- und Propagandakommunikation institutionalisiert, der ein auf ehrlich / unehrlich gestähltes Ostberlin-Huhn als Individuum immer nur mit dem Pathos der Entfremdung und großer Bindungsverlustigkeit begegnet.

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LER? – das muss deshalb aufhören, weil die christliche Hartleibigkeit ein fröhliches Erinnern und Vergessen – im Bilde des Gekreuzigten – auszuschalten sucht und stets ausschalten konnte, wo sie zum Zuge kommt.

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Ich sage mit Heidegger (ausnahmsweise): Stehe hinaus in das mögliche Sein.

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