Lichtgeschwindigkeit 4790
am Samstag, 16. August 2014
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„Ziviler Ungehorsam“ bezeichnet eine individuell-subjektive Sicht auf eine Gesamtlage für „Ungehorsam, der geboten ist“.
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Es ist eine konkrete Lage, infolge rechtsstaatlich-offizialer Entscheidungen, die das repräsentative demokratische Politiksystem so getroffen hat, in der aber Rechte und Pflichten – im Grundgesetz geschützte Grundrechte – in fragwürdiger Prägung verletzt werden.
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Ein Individuum kann unmittelbar weder politisch noch durch Sabottage oder Agitation eine Situation umsteuern. Dennoch gibt es Ungehorsam, der geboten ist.
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Beispiel: Das Beispiel soll nicht aktuell zum zivilen Ungehorsam anregen, sondern den Bedeutungsraum eines solchen politisch begründeten Ungehorsams, im Unterschied zu Widerstand, Landfriedensbruch, Stören öffentlicher Ordnung, Hochverrat, Untergrund, Sabottage oder das „Bohren dicker meinungspolitsicher Bretter“ und öffentliche Aufklärungsarbeit verständlich machen:
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Die im Jahr 2014 geltende deutsche Verfassungslage begründet die Vorhaltung der Bundeswehr, durch den Bund, mit der Widmung zur Landesverteidigung.
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Nun wurde mit Bundestagsmehrheit diese Verteidigungsbundeswehr, die auf allgemeiner Wehrpflicht aller Deutschen beruhte, in eine Spezial-Berufsmilitär-Agentur umgewandelt. Es wurde ferner eine Umwidmung des Verteidigungsauftrages politische bestimmt. Ab sofort soll die Bundeswehr nicht mehr der Friedenssicherung für die Deutschen in Deutschland, sondern der Interessensicherung Deutschlands in der gesamten Welt gewidmet werden.
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Nun kommt der kritische Aspekt des Beispieles:
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Es gibt neuerdings sogenannte Killerdrohnen, also bombentragende ferngesteuerte unbemannte Flugzeuge. Der Verteidigungsauftrag der Bundeswehr im Sinne des Grundgesetzes bezieht sich auch auf die Bewachung und Sicherung militärischer Anlagen. Die privatwirtschaftlich betriebenen Atomkraftwerke in Deutschland stellen extrem bewachungssensible militärische Anlagen dar. Die Bundeswehr kann diese Atomanlagen nicht vor Drohnenangriffen verteidigen. Während also der Verteidigungsauftrag einerseits vernachlässigt wird, ändert die Regierung die Auslegung der Bundeswehr auf internationale Einsätze.
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Der Konflikt ist dramatisch. Es ist Supergau im Verzug. Notstand ließe sich rechtlich ohne Weiteres daran knüpfen. Der Bürger sieht sich in der verzweifelten Lage zum zivilen Ungehorsam, sofern er nicht hitlerschlau wegschaut und so tut, als sei Alles in Ordnung.
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Ich plädiere dafür, nicht von Widerstand zu reden, sondern von zivilem Ungehorsam. Ziviler Ungehorsam hat in den letzte Jahren der ersten Bundesrepublik Deutschland den Aktionsraum für kritische Artikulation in der Bundesrepublik erweitert.
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Wann tritt eine solche Form politischen Verhaltens auf?
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Es haben sich durch die IT-Revolution und die Totalüberwachung jedes Bürgers sowie die Verbote des aktiven Schutzes („Vermummungsverbot“) gegen die IT-Überwachung, neue totalitäre Herrschaftspraktiken entwickelt, denen mit der Forderung „freies Internet für freie Bürger“ nicht legal begegnet werden kann.
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Hier bildet ziviler Ungehorsam eine Form des symbolischen Widerstands.
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Er ist ein Zeichen von Schwäche, ein Zeichen dafür, dass man auf anderen, also institutionellen Wegen nicht zum Ziel kommt.
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Ziviler Ungehorsam ist ein Versuch, Machtlosigkeit zu einer Stärke zu machen.
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Man wählt den Weg einer Regelverletzung, weil man sonst nicht zu Wort kommt.
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Es hieß lange Zeit: Ihr dürft jetzt nicht gegen (das Freihandelsabkommen der EU) die Stationierung von Mittelstreckenraketen Stellung nehmen, sonst sind die Verhandlungen in Genf gefährdet. (Wer so argumentiert, unterdrückt die Gegenposition, versucht die freie Diskussion bis zu dem Zeitpunkt zu unterdrücken, in dem die Verhandlungen offiziell gescheitert sind, d. h. die Raketen stationiert werden.) Der Protest dagegen ist ein Mittel, um gegen solche Verhaltensweisen Korrekturen durchzusetzen.
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Ziviler Ungehorsam als Regelverletzung ist deshalb auch ein Stück Auflehnung. Ich erinnere an den Satz von Hochhuth, der in den Jahren der studentischen Protestbewegung der 1960er- 1970er Jahre entstanden ist: „Demonstrationen, die nicht von der Polizei verboten werden.“ was besagt dieser Satz oder das Wort „Latsch-Demo“? Hier manifestiert sich Protest dagegen, dass Politiker sich zu oft erhaben über Großdemonstrationen hinwegsetzen und diese so behandeln, als ob es Hydepark-Redner wären. „Die demonstrieren, wir regieren!“
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Inzwischen haben sich die Protestformen weitgehend aufgelöst, Protestbereitschaft findet kaum noch Form: „Von No Future hatte man bereits in den 1980ern die Nase voll: Kein Bock auf No Future“. Wer will noch Handzettel verteilen und in die Hand nehmen?
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Wenn ziviler Ungehorsam ausgeübt wird, so beweist dies einerseits, Mängel der politischen Kultur; andererseits kann ziviler Ungehorsam „nur unter Bedingungen eines im ganzen intakten Rechtsstaates“ ausgeübt werden /(Habermas). –
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Man hat gesagt, ziviler Ungehorsam verlange die Bereitschaft, für die rechtlichen Folgen der Normverletzung einzustehen, ziviler Ungehorsam sei „rechtlich nicht heilsam“. Es gibt jedoch auch zivilen Ungehorsam, der nicht gegen Strafgesetze verstößt:
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Es gibt den Hungerstreik, es gibt den Verstoß gegen gesellschaftliche, als nichtstaatliche Regeln, es gibt die Tabuverletzung. Daneben gibt es die Regelverletzung, die nicht mehr als eine Ordnungswidrigkeit, die (so bei der begrenzten Sitzdemonstration, meist juristisch unzutreffend Blockade genannt) durch Grundrechte „geheilt“ wird oder werden kann. Solche Aktionsformen sind ebensowenig illegal wie heute die „pike line“. d. h. die symbolische Absperrung gegen Streikbrecher) rechtswidrig ist.
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Ziviler Ungehorsam ist auch erlaubt, wo das Gesetz ein Verhalten gebietet, das nicht mit der Verfassung übereinstimmt. Erinnern wir uns an die Oppositionsbewegung im Frühjahr 1983 gegen die Volkszählung. Damals haben viele gesagt: wir verweigern.
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Auch sozialdemokratische Bundestagsabgeordnete erklärten: Das machen wir nicht mit.
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Es war auch noch nicht klar, wie sich das Bundesverfassungsgericht verhalten würde.
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Doch mit guten Gründen hielten viele das Gesetz insbesondere den Melderegistervergleich für verfassungswidrig. Die Volkszählung würde Fakten geschaffen haben, die nicht mehr zu revidieren waren.
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ZUGINSFELD Aufstellung der Tafelbilder in der Platanenallee, mainzer Straße nördlich Eierplätzchen, am 12. Juli 2014
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Bei solchen Voraussetzungen ist auch bei einem an sich strafbaren Verhalten Freispruch geboten.
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In der amerikanischen Rechtssprechung gibt es Beispiele dafür, dass die Verletzung eines verfassungswidrigen Gesetzes nicht geahndet wurde. Es ist deshalb falsch zu sagen, wer zivilen Ungehorsam ausübt, müsse auch zum „leiden“ bereit sein, müsse Sanktionen auf sich nehmen. Es gibt zivilen Ungehorsam, bei dem freigesprochen werden muss.
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Ziviler Ungehorsam findet man schon in der „Antigone“. In dieser Tragödie steht das gesetzte Recht von König Kreon gegen das andere Recht, das göttliche Recht, das Recht des Herkommens. Die demokratische Entscheidung ist etwas anderes als Kreons Gebot; aber auch die parlamentarische Mehrheit, muss dem entsprechen, was die Menschen für Recht halten. Wenn das positive Recht nicht mehr dem entspricht, was wir heute „Menschenrecht“ nennen – dann, so lautet die aktuelle Botschaft der „Antigone“, bleibt von allem am Ende nur „Wüste“ zurück.
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Dietmar Moews meint: Die rechtsstaatliche Ausprägung praktizierter Formen des zivilen Ungehorsams gehören auf den Tisch der „Chats“ und „Blogs“, wo sich die digital Natives allzuleicht einer naiven und kurzsichtigen Praxis der privaten Anarchie hingegeben. Allerdings dann von der Ordnungsbehörde und von Gerichten zur Kasse gebeten werden.
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Erst kürzlich wurde ein privater Thor-Server einkassiert und der Halter sanktioniert. Piraterie ist Piraterie – ziviler Ungehorsam ist die differenzierte Form der Notwehr gegen den IT-Totalstaat. Wo ist die Diskussion in der Piratenpartei?
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