Lichtgeschwindigkeit 6028
Vom Mittwoch, 11. November 2015
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Es gibt Lebenssituationen als Erlebnisse der Gesellschaft, die eine weite Allgemeinheit erreichen und berühren. Eine große Naturkatastrophe, ein Krieg, eine entsetzliche Machenschaft, auch der Tod einer prominenten Person, gehören dazu.
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Solche Sensationen werden intensiv erlebt. Oft aber nicht zur Erhellung, sondern zur Fatalisierung und Fetischisierung fehlgeleitet.
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Während oberflächliche Wahrnehmungen mit tiefgründigen Dispositionen zusammenkommen können, die als Zusammenwirken von Ursache und Wirkung zustandekommen, wird immer wieder das soziale Hintergrundgeschehen von den meisten Beteiligten nicht verstanden werden – das Publikum nutzt die eigenen Erlebnisse nicht, klug zu werden. Und die geführte Massenkommunikation wird stets auf dem billigsten Weg nachlässig verbraten.
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Gestern wurde die Nachricht vom Tod des deutschen Alt-Bundeskanzlers, Helmut Schmidt, geboren am 23. Dezember 1918 in Hamburg, ebendort am 10. November 2015 gestorben, veröffentlicht.
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Es setzte unverzüglich die kulturindustrielle Verwertung dieser Reiznachricht ein, Programme wurden geändert, Live-Reporter traten auf, wichtige Sprecher gaben erste Trauerbekundungen ab: Bundespräsident, Bundeskanzlerin, Parteisprecher, Zeitgenossen, Spontanpublikum.
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Die Stunde der Massenmedialisierung durch SUPERLATIVE und IDOLISIERUNG schlug:
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Jeder O-Ton der O-Töner zielte auf Selbsterhöhung mit der Seitenbotschaft:
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Ich bin Zeuge von einem großen Staatsereignis!
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Ich spreche als Sprecher in einem öffentlichen Erlebnis größter kollektivbildender Reichweite, der Konsonierung der Tagesthemen, in der Stunde weltpolitischer Größe:
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Sehr bald schlugen hier die soziologisch offenkundigen Dispositionen von Anschlussfähigkeit, Nutzen und Motivation einer IDOLISIERUNG.
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SOZIAL heißt „von Mensch zu Mensch“, „zwischen den Menschen“, im dynamischen Miteinander, interdependierend, interagierend, jeweils als Stimulans der sozialen Aktivierung, Lähmung, Richtungsdynamik und allgemeiner öffentlichen, offizialen, privaten, informellen Bewusstseins-Durchdríngung, individuell und kollektiv:
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Wo ein IDOL-Bedarf ist, wo Menschen nach VORBILD, PROMINENZ, GROSSMENSCHEN, suchen, weil Solche ihnen in ihrem Alltäglichen nutz- und dienstbar sind, im Small-Talk, in der Gemeinplatz-Kommunikation, Zugehörigkeits- und Schweigespiralen, Lärm- und Übertreibungsverhalten oder die Differenz oder Identifizierung im Individuellen ausdrücken zu können.
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IDOL enststeht in jedem Gruppengeschehen, jede Menge und jede Masse ist ständig mit Idolen und sozial notwendigen Idolisierungsprozessen – Idolbildung und Idolzerschmetterung – beschäftigt.
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Jedem ständigen IDOLBEDARF gehen die Erwerbspublizisten mit allen Aspekten mittels Idolisierungs- und Idolbildungs- und vernichtungs-Angeboten entgegen.
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Im Falle des gestorbenem Altbundeskanzlers Schmidt heißen die Stichworte:
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„Großer Staatsmann“, „großer Kanzler“, „großer deutscher Staatsmann“, „Vorbild“, „großer Deutscher“, „großartiger Mensch“, „hochintelligenter Kopf“ und Sara Z. beim DLF, verstieg sich heute nachmittag völlig: „einer der klügsten Köpfe der Weltpolitik“
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Dietmar Moews meint: Bei solchen Idol-Etikettierungen werden keine seinsgebundenen Verdienste oder historischen Würdigungen des zum IDOL benutzten angefügt, sondern äußerst plump werden leere Behauptungen wiederholt.
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Beim Altkanzler Schmidt werden beinahe alle seine Misserfolge und Fehltaten als wertvoll hingestellt:
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Kanzler Schmidt trat exzessiv und mit unzutreffenden Argumenten für die ATOMKRAFT ein. Gleichzeitig machte Schmidt die jüngere Generation der Deutschen, aus denen die Alternativbewegung der 1970er Jahre entstand, abwertend nieder.
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Noch nach Tschernobyl und Fukushima behauptete Schmidt weiterhin, ATOMKRAFT – Ja, danke.
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Kanzler Schmidt akzellerierte die Aufrüstung durch US-Mittelstreckenraketen in Deutschland (sogenannter NATO-Doppelbeschluss), verteufelte die Rüstungsgegner mit beleidigenden Akzenten. Schmidt behauptete später, der Nato-Doppelbeschluss (der dann unter Kohl durchgesetzt worden war), sei die Voraussetzung des Zusammenbruchs des Warschauer Paktes und der kommunistischen Sowjetunion gewesen.
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Die historische Wahrheit sieht anders aus, als es Schmidt sehen wollte:
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Wir kennen keinen Beispielfall, wo man hätte Moskau durch militärische Drohungen zu einem politischen Einlenken hätte zwingen können. Nachweislich hat die Überzeugung im Kreml davon, dass etwa die Hälfte der Deutschen, besonders die jüngeren Generationen, keine „imperalistischen“ oder überfallkriegerischen Ziele hatten, die Entscheidungen für Verhandlungen statt heißer Konfrontation bestimmt: ZEUGE Gorbatschow.
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Altkanzler Schmidt behauptete noch bis zuletzt, die Staatsräson
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„ein Staat dürfe sich nicht erpressen lassen“ –
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sei die richtige Entscheidungsgrundlage gewesen, den TOD vom Deutsche-Industrie-Chef Hans-Martin Schleyer, statt die Freilassung der RAF-Terroristen, hinzunehmen.
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Wirklich wurden durch diese fragwürdige „Staatsräson der Stärke“ viele Menschen getötet. Schleyer, Mogadischo-Pilot-Schumann, die High-Jacker, die RAF-Häftlinge.
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Schmidts Behauptung, durch diese Toten das Ende der RAF erreicht zu haben, ist eine unfromme Legende. Schmidt hätte die Leben retten sollen – die „RAF“ lebte aus anderen sozialen Ressourcen der gesellschaftlichen Probleme. Letztlich gab die geringe soziale Resonanz der RAF-Gewalt in der deutschen Öffentlichkeit den Ausschlag, dass die RAF-Revolution nichts wurde und nichts werden konnte.
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Die weiteren RAF-Morde – nach Schleyers Tod – hätten auch von befreiten Jan Karl Raspe oder Bader-Ensslin nicht verschlimmert werden können, denn ihre baldige Ausschaltung wäre so sicher erfolgt, wie die von Willy-Peter Stoll und Christian Klar und den anderen, nebst RAF-Aussteigern.
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Helmut Schmidt war bereits in den 1970er Jahren mit erhobenem Zeigefinger in Brüssel den europäischen Nachbarn auf den Wecker gegangen: Man sagte damals: Dreißig Jahre nach Hitler wollen wir solche deutschen Lehrmeister und Besserwisser wie Helmut Schmidt nicht akzeptieren (während sich Schmidt dadurch beim „rechten“ deutschen Publikum einschleimte).
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Wer den heutigen IDOL-Formeln nachgeht, wird leicht finden, dass der verstorbene Schmidt bis zum Ende hin noch nicht ausgelernt hatte. Während er bis zuletzt frühere Standpunkte und Fehlurteile austauschte. Zuletzt behauptete Schmidt noch:
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Deutschland ist auf Auskömmlichkeit mit den benachbarten europäischen Staaten und Völkern angewiesen – (vermutlich ist ihm der erhobene Zeigefinger beim Nasebohren umgeknickt). Schmidts Irrläufe zu EZB- und Bundesbank-Verschuldung sind doch wohl noch erinnerlich?
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Legendär auch seine Klavierkonzerte – von Eschenbach und Justus Franz und seine Künstlerauftritte mit Andy Warhol (als Kettenraucher).
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S. Reicht – denn es liegen zahlreiche andere „Pralinen“ auf dem Tisch – ich sage nur 1977: ELISABETH KÄSEMANN in BUENOS AIRES.
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Stille Andacht mit Staatsakt – und als Strafe eine Ansprache von SPD-Genossen Gauck, der seine persönlichen Erinnerungen an den Verstorbenen aus mecklenburger Sicht mitzuteilen weiß – wäre dem allgemeinen öffentlich-medialen IDOLBEDARF vermutlich nicht bescheiden genug.
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