Lichtgeschwindigkeit 10307
am Sonnabend, den 2. Oktober 2021
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Von der Corona-Pandemie unterbrochen, wurde die „NO FILTER“ genannte, bereits ausverkaufte Konzertreihe in den USA, mit dem Neustart am 26. September 2021 in St. Louis von den heutigen Rolling Stones, massenkonzertant zum Besten gegeben.
Ich möchte eine kurze Abhandlung des kulturellen Rolling-Stones-Geschehens seit Beginn, anfang der 1960er Jahre, bis zur heutigen Pop-Freizeitunterhaltung im Corona-Jahr 2021 aufzeigen, quasi von Beatles-Mania zu Selfie-Masseneinsatz:
Ich möchte eine Videokonserve, die derzeit bei Youtube frei zugänglich ist nach vorne stellen, damit für jüngere Menschen eine Idee der damaligen Jugendkultur entzündet werden kann. Der geistige Prozess lässt sich nicht einfach als Lustorientierung, Wohlstand, Musikliebe, Kulturindustrie, Abwechslungsbedarf, Traditionszwänge, historisches Genieaufblitzen, soziale Lähmung durch Not, soziale Dynamisierung durch Not und so weiter, wie eben das Soziale soziologisch verstanden werden kann, zwischen Tradition, Veränderlichkeiten und Abhängigkeiten und Katastrophen bzw. zureichend erklären oder entschlüsseln.
In jenen 1960er Jahren, als es nach dem Zweiten Weltkrieg erstmalig „Taschengeld von Eltern für ihre Kinder“ und Jugendkonsum sowie Radio und Fernseh-Übertragungen internationaler kommunikativer Lebensformen aufkamen und industriellen Anschluss fanden, entstand eine schließlich weltweite Beatles-Mania.
Hierzu in Irland 1964 ein sw-Konzertmitschnitt. Meine Anregung soll dokumentieren, was mal war – als eine anfangs sehr beschränkte Welt sichtbar anders tickte und mit High-Tech-Waffen fernfuchtelnde Mörderkriege führte und eine Love-and-Peace-Jugend darauf konsumistisch revoltierte.
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Diese Welt bestand aus der zur Hochkultur strebende und disponierte Nachwuchselite von individuell begabten, die sich ausgefallener amerikanischer Volksmusik, Jazz und Blues mit enormer Neugierde zuwandten, die selbst amateuristisch Bands bildeten und spielten. Dazu kamen dann sehr bald ganz individuelle Musikalienhändler, wie Brian Epstein für die Beatles in Liverpool und Andrew Loog Oldham für die Rolling Stones, die in die Schlager- und Unterhaltungsmusik-Branche zielten, während die etablierte Musikindustrie, deren Verlage und Impressarios diese neue Jugendmusik BEAT kulturindustriell blockierten und ablehnten. Aus der Schmuddelecke herausgebracht, erreichten die Beatles, neben anderen wie Searchers, Hollies, Swinging Blue Jeans, Dave Clark Five, Manfred Mann, The Rolling Stones eine nie dagewesene Beliebtheit und Zulauf bei deren Auftritten in kleineren Tanzsälen von London und den englischen Städten.
Es entstanden plötzlich durch das Sonderstyling der Beatles mit Schlips und Kragen statt Lederjacken und den Pilzkopf-Haartrachten, vier niedliche „Teletubbies“, die vollkommen gleich aufgemacht waren, eigene Lieder akkurat und emphatisch spielen konnten und außerdem freundlich und witzig waren. 1963/1964 gelang der Durchbruch ins internationale Massenmediengeschäft, also Schallplattenverkauf, Radiosendeminuten, Fernsehpräsentationen, Konzerttourneen, große neuartige Pressestrategien der Beatles in den USA. Als das Geschäft anlief, die Industrie natürlich mitmachte, sprangen die Kommerzmedien auf und es folgte die Beatles-Mania.
Mit den Rolling Stones war in London eine äußerst individuelle intelligente Musikantenszene, mit Mick Jagger, Keith Richards und Brian Jones und dem Beatles-Untermanager Andrew Loog Oldham hervorgetreten, deren enorme Kraft in der Art Stücke von Jimmy Reed nachzuspielen. Diese Rolling Stones wurden allgemein und in der Bandszene Engkands hoch anerkannt, ohne dass dabei die Beatles als Maßstab galten. Dann zog der Manager Oldham die Idee „Beatles good guys“, „Stones bad guys“ auf. Als die Stones 1965 nach Deutschland kamen, kündigte BILD an: „Die Hunnen kommen“. Sie traten in der Berliner Nazi-Waldbühne als Freiluft-Konzert auf und spielten nur knapp 25 Minuten (sie waren nach Berlin gekommen, um 25 Minuten lang in Straßenklamotten und mit ungewöhnlich langen Haaren zu spielen! wer das glaubt, wird selig). Das Stones-Management hat dafür gesorgt, dass mit nur 25 Minuten Stonesgespiele Enttäuschung und Zorn der jungen Konzertbesucher entzündet wurde: Das anschließende Zerschlagen der Möbel der Waldbühne konnte ziemlich sicher von wenigen Agents Provocateurs begonnen und dann in eine Massenwut münden. (So glaube ich, dass die unten eingelinkte Videoaufnahme der Stones von 1965 in Irland ebenfalls Inszenierungen waren). – Die Leute, die die Bühne stürmten waren quasi Mitwirkende des Stones-Managements – vermute ich heute; man sieht, dass eigentlich nichts Wertvolles demoliert wird, die Instrumente blieben heil und kaum Verletzungen passierten. Hört man genau hin, wird erkennbar, dass die angebliche Live-Aufnahme nachträglich bearbeitet worden ist: Während Keith Richards beim letzten Sück „I’m Alright“ fleißig sein Lick spielt, spielt Brian Jones dazu die durchgängig hörbare Rhythmusgitarre, zu sehen ist aber streckenweise, wie er Tamburin schlägt und nicht die Gitarre. (Ich habe von dieser Session eine EP-Schallplatte „Got life if you want it“ – da variiert auch Jaggers Stimme geringfügig). Und wir sehen, wie der sensationelle Schlagzeuger Charlie Watts für die noch ohne Monitore und mieser PA auftretenden Stones eine wallende Beatmusik machen konnte, die nicht im Nachspielen ihrer Schallplatten, sondern als NEUTÖNER die Freizeitwelt aufmischten.
Die Rolling Stones haben also der Kulturindustrie und den Massenmedien reizendes Skandal-Medien-Futter „geschenkt“, was mit der Musik wenig zu tun hatte, auch die Musiker jahrelang zu pausenlosen Schwerarbeitern machte, die dann außerdem noch um Millionen gebracht wurden: The Beatles, The Rolling Stones, The Kinks – sie konnten mit Steuerschulden übrigbleiben, wenn sie sich nicht selbst organisierten. Was dann bei allen im zweiten Anlauf der 1970er Jahre erfolgte.
Dreißig Jahre weiter war die gesamte Beatles-Mania so weitreichend Allgemeingut geworden, dass die folgende Massenbeglückung nicht wundert – aber diese Fußballfans gröhlten bereits 1964 fröhlich und unerschrocken „She loves You“, einem der ersten weltberühmten Beatleslieder, die wirklich musikalisch viel herausfordern, Liverpool:
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Als die Musikindustrie nunmehr selbst „Beatbands“ zusammenstellte und im Massenmedien-Mix vermarktete, wie „The Monkees“, Schauspieler die nicht mal mit den Instrumenten glaubhaft Karaoke machen konnten, wandelten die ursprünglich originellen Beatbands sich von der affirmativen Wiederholung der Charts-Verkaufserfolge ab und begannen mit Weiterentwicklungen der ursprünglichen Combo-Musik in komplizierte Stücke mit Hilfe von Playback, Multiplay und elektronischen Klangtechniken. Ergebnis war, dass die Bands ihre eigenen Studioaufnahmen nicht mehr auf der Live-Bühne bringen konnten. THE BEATLES lösten sich auf (auch, weil das lärmende Publikum in den Freiluftstadien jede Verstärkeranlage so übertönten, dass die Musiker sich nicht mehr gegenseitig hören konnten, allenfalls sehen. Die Rolling Stones mussten also vom Management betrogene Steuerschuldner von London nach Frankreich emigrieren, gründeten eine eigene Plattenfirma „Rolling Stones Records“, wechselten von DECCA zu Warners, EMI, Sony, wendeten sich den neuesten Popmusiken zu, ob Flower Power, Reggae oder Disco, beschäftigten Gastinstrumentalisten und erfolgreiche Produzenten, wechselten weiter die Majorkompanies, bis sie inzwischen vollkommen im Mainstream kulturindustriell vernetzt sind.
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Die never-ending Stones-Welttournee (die in Wahrheit mehrfach jahrzehntelang unterbrochen war) war auch davon geprägt, dass wichtige Bandmitglieder ausschieden und effektvoll ersetzt wurden. Brian Jones, der Stonesgründer und Kommunarde von Jagger und Richards, der immerfort mit neuen Klängen, Instrumenten und Neuigkeiten erregt war, trat meist als gelangweilter Rhythmusgitarrist mit auf. Während Keith Richards fleißig die schwierige Gitarrenarbeit machen musste und mitzusingen hatte, spielte Brian Jones mal virtuos Slide-Guitar, Mundharmonika, Flöten oder Zimbeln. Anfangs sang er auch mit. Auch Bassspieler Bill Wyman sang Harmonien und Background. Und der Stones-Pianist Ian Stewart spielte in Studiosessions und wurde quasi Roadie der Band. Mit dem bewährten Alleskönner Chuck Leavell, Mitsänger, Klavieristen so Nicky Hopkins, Sänger Bernhard Fowler und dem Saxophonist Bobby Keys wurden von den Stones laufend geniale Instrumentalisten der Liveband integriert, während Jagger sich als hervorragender Stones-Lyrizist entfaltete und als Jagger/Richards die äußerst rhythmische Stonesmusik als Zeitzeichen am Rande der täglich neuen industriellen Popmusik immer weiter etablieren konnten.
Ende der 1960er Jahre gingen all diese Beatbands in Kostümshows über, Blümchen, Rüschen, Glitter, Kopftücher, Hüte, reizvolle Lichtspiele, größere Hallen und Stadien, Skandalnotizen, unverschämte Selbstsignaturen. Die Musiker wie der brillante Gitarrist Mick Taylor, sein Nachfolger Ron Wood, der 1993 ausscheidende Bassspieler Bill Wyman mit dem amerikanischen Jazzbass-Virtuosen Derryl Jones als Sessionspieler spielte fortan auf den Stones-Tourneen und Studioaufnahmen. Während Bob Dylan seine handgemachten Ideen ausarbeitete, brachten andere Bands Dylan-Material aufgepusht in die Hitlisten, kamen Leute wie David Bowie auf immer ausgereiztere Aufmachungen – musikalisch waren diese Darbietungen immer, meist auf Tanzbarkeit fürs Publikum gedacht. Mit der Beatles-Mania hatte das nach etwa 1967 bis 1971 mit Jimi Hendrix dann nur noch vom Combo-Prinzip her ästhetische Verbindung.
Nimmt man nun die NO FILTER genannte Konzertreihe der CORONA-Stones 2021, wäre es banalisierend anzunehmen, wir hätten hier jetzt eine ästhetische Entwicklung, ausgehend von den Musikern und den Bandspielern, quasi eine Tradition aus der 1960er Beatmusik zu einer 2021er Rhythm&Blues-Ausfaltung, die auch als technologisch hochperfektionierte Live-Shows hundertausendfach an den Kassen verkauft werden: Das Publikum will das.
Das Publikum will die Stones-Selbstcover-Band mit den „best of“-songs, möglichst mit allen Finessen der Studioproduktionen pseudo-live hingetrickst.
Schaut man sich das heutige Stonespublikum an, so sind das keineswegs diejenigen ebenfalls mitgealterten Leute von 1965 , nein, die sicher nicht mehr. Es sind vielmehr diejenigen, die anfangs die langen Haare ablehnten, dann aber plötzlich 1975 ohrenbedeckende Haare als Männer lang trugen, und heute mit Haarausfall oder Grauweiß geworden mit Kindern und Engeln so tun, als hätten sie die guten alten Zeiten miterlebt.
Dem Absatz und der Marktwirtschaft ist es egal, wer die Preise zahlt. Und die Marktforschung weiß genau, welche Songs aus dem Stones-Songbook verlangt sind, wenn die Smartphones glühen und die Selfies starten..
Wer die Youtube-Mitschnitte vom Stones-Konzert vom 26. September 2021 durchhört, ist Zeuge, wie sich die Rolling Stones von heute bemühen, den Konsumenten zu geben, was die bezahlt haben. Dabei ist der zuletzt wegen Krankheit ausgeschiedene und nun auch 80-jährig gestorbene Charlie Watts von einem hervorragenden Schlagzeuger, Steve Jordan, vertreten worden. Und dazu, dass der Tour-Neustart nicht von Charlie Watts herkam, sondern von Corona und der unbeherrschten Seuche – das Publikum von St. Louis trug nicht Masken und hielt Abstände nicht ein. Kein Jagger sprach ein ernstes Wort hierzu als Vorsichtswarnung. Nun sind wir gespannt: Ob hier Infektionsketten starten?
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Dietmar Moews meint: Die Kunst ist frei, so weit der Markt zahlt und konsumiert, was angeboten wird.
Am 26. September spielten sie tatsächlich „Living in a Ghost town“ – und zwar sehr beachtlich und hörenswert schlicht und es saß.
Die Stones haben erheblich geprobt, mit einem Charlie-Watts-Ersatz durchzukommen, während es zugleich doch auch ein irritierendes Musikgefühl ist, wenn nicht mehr Watts/Wyman als Stonesgerüst trägt, sondern zwei überaus fähige, Derryl Jones, Bass und Steve Jordan, Drums, nunmehr als Stones-Cover-Musikanten dabei sind. Während am 26. sowohl Richards wie auch – wie noch nie so schlecht – Ron Wood in wirklicher Trauerirritation dastanden und krank wirkten.
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Dietmar Moews und Professor Alphons Silbermann in Köln 1999
Kurz, was sich nun bot, wird sicher im Laufe der weiteren NO FILTER-Konzerte noch besser zusammenkommen. Aber zum Musizieren kamen diese Stones beim Neustart eigentlich nicht. Und es lag aber an den Stones selbst, die sich als Jagger/Richards/Wood in aufwendige, wunderbar abgestimmte Bühnen-Kostümierungen hinstellten – während alle Cover-Stones schwarze Kleider trugen – aber sie waren zusammen überhaupt nicht beschwingt. Während Mick Jagger hervorragend bei Stimme ist. Die Musik kam dann von den Saxophonisten, dem Miss-You-Basssolo von Derryl Jones und einige Kurzeinlagen von Steve Jordan. Und mit Jones/Jordan auf Mitsingen von „You cant always get what you want“ oder Keith Richards gesungenen „Slipping away“ und „Happy“ – na ja, kann es nicht gehen.
Auch wenn Steve Jordan mit „Sympathy for the Devil“, „Jumping Jack flash“, „Honky Tonk Women“ oder „Satisfaction“ und auch „Gimme Shelter“ ganz hervorragenden Druck brachte, waren da zu viele Konfektionsstücke, die fast auseinander fielen – „Paint it black“, „Street fighting man“ (am 30. in Charlotte war es hervorragend), „Midnight Rambler“, „Only Rockn Roll“ – genug. Sei es, dass Keith Richards nicht mehr motiviert ist, ausreichend Gitarre zu üben, oder, dass er eben nicht mehr kann – weiß der Geier: Von freundschaftlichen Duetten der beiden Zigeuner Richards+Wood kann nicht mehr die Rede sein.
Das war jetzt Rolling Stones, wie es den Stones selbst nicht gefallen haben kann, hört man nur die begeisternden Millionenkonzerte in Rio oder das Havanna Moon auf Cuba vergleichsweise.
Ich dachte, während ich da „Under my Thumb“, „Midnight Rambler“ oder „Wild Horses“ hörte, hier wurde eine offene Bringschuld ans zahlede Publikum von den Stones freiwillig erbracht. Das ist anständig.
Für zukünftige Projekte ließe sich ein Trick in Gold verwandeln: Man hätte eigentlich nur die beiden „Stones-Cover-Sessionisten“ Jordan und Jones zu fragen brauchen: Welche Stücke aus dem Stones-Songbook sie gerne mitspielen würden?
Das könnte für sie alle inspirierend werden – auch mit 80 +: EAZY SLEAZY und wirklich sehr guter Groove beim Fadeout bei der Erstaufführung von dem etwas armen „Troubles a Comin“:
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FINE E COMPATTO
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FINE E COMPATTO deutlich beendet.
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