Lichtgeschwindigkeit 7545
Vom Mittwoch, 29. August 2017
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Am Sonntag, 27.08.2017, brachte der DLF-Redakteur Michael Langer einen neuen Beitrag aus der bewährten DLF-Sendereihe „Zwischentöne“, mit einem anmaßenden Buchautoren, Joseph Vogl, der seine halbpeinlichen Angaben vortragen durfte, nicht zuletzt, weil es dem Redakteur Michael Langer an ausreichendem Kritikvermögen und Wissen zu mangeln schien, die Peinlichkeit durch „relativierende Fragen“ zu beleuchten.
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KURZ:
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Joseph VOGL hat ein Buch publizieren lassen, in dem er eine eigene Wortschöpfung akklamiert, die „Oikodizee“, deren theoretisches Konstrukt auf Leibniz‘ „Theodizee“ bezogen sei.
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Leibniz erklärt die empirische Welt, zwischen Gut und Böse aus menschlicher Sicht erlebbar, als die beste aller Welten, aus Gottes Sicht. Anders gesagt, diese beste aller Welten, sollte vom Menschen als eine Welt Gottes angesehen werden, in der das empirische Böse, minimiert ist. Wir erleben quasi die Friedenspolitik Gottes mit Krieg.
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Entsprechend meint nun Joseph Vogl – indem er ausdrücklich auf den schottischen Wirtschaftsphilosophen ADAM SMITH (1723-1790) Bezug nimmt (und nicht auf Bernard Mandeville; den SMITH-Zitator Karl Marx übergeht Vogl – Marx, der immerhin Mandeville lobend erwähnt) – dass die ÖKONOMIE, die unser Leben wesentlich bestimme, die beste aller empirischen Welten sei, als Vogls OIKODIZEE. Denn die Synthese aus allen Geschehnissen und menschlichen Handlungen seien wesentlich „ökonomisch“ motiviert, einschließlich der Minimierung der ökonomischen und menschlichen Kosten und Nachteile.
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Schon Adam Smith hatte Regelbrüche, Rechtsbrüche, Betrug bis zur Sünde und Meuchelei, die Laster, als möglicherweise „Produktivkräfte“ der gesellschaftlichen Produktion, Information, Distribution, Konsumtion erkannt (ohne Falschparker bräche das Alltagsleben zusammen).
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OIKODIZEE impliziert so verstanden, dass Organisation optimal ökonomisch funktioniert, wenn man öfter mal Fünfe gerade sein lässt, anstatt durch hartleibiges RECHT & ORDNUNG-Streben, ökonomische Steuerung und Kontrolle, Sanktionen und Korrekturen, den multilateralen Betrieb aufzuhalten. Hier nach bringt ökonomisches Movens, einschließlich lasterhaften Verhaltens, respektive bringt die beste aller Welten hervor und minimiert Böses (vgl. Theodizee).
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Ja. Lieber Herr Langer – das „Mandeville-Paradox“. Schön, dass Sie schon mal was von Montesquieu gehört haben. Und Montesquieu hatte von BERNARD MANDEVILLE gehört und gelesen:
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DIE BIENENFABEL oder „Private Laster als gesellschaftliche Vorteile“
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BERNARD DE MANDEVILLE lebte von 1670 bis 1733 und war Inspirator von Montesquieu.
Bernard Mandeville (* 15. November 1670 in Rotterdam; † 21. Januar 1733 in Hackney bei London) war ein niederländischer Arzt und Sozialtheoretiker, der in England lebte und in englischer Sprache schrieb.
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Wir finden die BIENENFABEL in NEUE SINNLICHKEIT 68, Blätter für Kunst und Kultur, herausgegeben von Dietmar Moews, Köln im 38. Jahrgang (s. u.)
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So geht der DEUTSCHLANDFUNK mit den ZWISCHENTÖNEN vom 27. August 2017 gewissermaßen baden. Und der hoffärtige Joseph Vogl von der Berliner Humboldt-Universität wird vielleicht mal ein Studiensemester zum Mandeville-Paradox (1705/1714) sowie der heutigen Sekundärliteratur zu Mandeville einlegen müssen, damit er seine Wortschöpfung zukünftig historisch besser einbetten kann, als hier geschehen:
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„Musik und Fragen zur Person – der Literaturwissenschaftler Joseph Vogl„.
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„Er hat den Begriff der Oikodizee geprägt und gezeigt, warum die Literaturwissenschaft in Fragen der Ökonomie mitreden kann. Prof. Dr. Joseph Vogl ist Inhaber des Lehrstuhls für Neuere deutsche Literatur und Kulturwissenschaft in Verbindung mit Medien an der Humboldt-Universität Berlin.
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Joseph Vogl befasst sich vor allem mit der Geschichte und Theorie des Wissens, insbesondere der Geschichte von Gefahr und Gefährlichkeit. Vogls Oikodizee, wie er sie in seinem Buch „Das Gespenst des Kapitals“ dargelegt hat, beschreibt den herrschenden und folgenreichen Glauben, dass es auf Märkten und vor allem den Finanzmärkten vernünftig und letztlich eben doch gerecht zugehe. Mit seinem Begriff spielte er auf Georg Wilhelm Leibniz´ Theodizee an, die Gerechtigkeit und Rechtfertigung Gottes. Wirtschafts- und damit verbundene Glaubensfragen unterzieht Joseph Vogl einer geisteswissenschaftlichen Prüfung und auch in seinem vorerst letzten Buch „Der Souveränitätseffekt“ kritisierte er den Finanzkapitalismus.“
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Dietmar Moews meint: DLF-Redakteur Michael Langer, der seine Sendung immer etwas „lächerlich“ auslegt, er kichert und lächert oft animatorisch gutlaunig, so, als hätten seine Gesprächspartner Witz und Esprit, Ironie und Schalk – fand es nun passend, Literatur / Literaten / Literaturwissenschaftler als mögliche Schöpfer des Orientierungswissens herauszustellen. Aber mit dem OIKODIZEEIST Joseph Vogl hat sich DLF-Langer verkichert.
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Man kann – wenn man die folgende BIENENFABEL studiert sowie die dazu gehörigen Prosaausführungen, die OIKODIZEE von Bernard Mandeville – erkennen, dass sowohl Montesquieu (mit dem Prinzip des Rechtsstaats als Geist des Gesetzes) und Leibniz (mit der Synthese der Besten aller Welten als THEODIZEE) bereits antezipando die Ehre verdienen, die hier Michael Langer und Josep Vogl unter sich zu verteilen versuchten.
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Die innere Widersprüchlichkeit des Leibniz’schen Begriffs „Theodizee“ rührt von dem Ringschluss her, nach diesem sich ebenso „die schlechteste aller Welten“ beschreiben ließe. Und so könnte man auch unwiderlegbar alle anderen „Organisationssysteme“ zur „DIZEE“ erklären. Ob die „Rechtspflege“, der Kinderreichtum und die Kinderarmut, der Alkoholismus und Drogenkulturen u. v. a. m..
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Der Denkfehler rührt von der Unanfechtbarkeit der Empirie, die sich positiv erfassen lässt. Immer wenn ein Organisationssystem auf die kleinsten Tatsachverhalte sowie die totale Reichweite hin sowohl vorteilhaft wie nachteilig gesehen werden kann, lässt sich mit dem DIZEE-Prinzip auf optimale Synthese der Wirkkräfte schließen. Bei Schopenhauer ist es „der zureichende Grund“, bei Nietzsche „der Wille“, kurz – „der innere Geist der Geschichte“.
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Hier nun – aus NEUE SINNLICHKEIT 68, Blätter für Kunst und Kultur, erschienen im Mai 2017 in Köln, die BIENENFABEL, die Bernard de Mandeville erstmalig im Jahr 1705 publizierte, hier übersetzt von Helmut Findeisen:
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Die Bienenfabel
oder
Private Laster als gesellschaftliche Vorteile
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„Ein großer Stock, an Bienen reich,
Die üppig lebten, doch zugleich
Gesetzestreu und wehrhaft waren,
Auch schwärmten früh in allen Jahren,
Galt als der Hort unzweifelhaft
Von Industrie und Wissenschaft.
Mehr Freiheit gab‘s in keinem Staat
Und weniger Zwänge und Diktat;
Nicht Sklaven einer Tyrannei
Noch wilder Demokraterei
Warn sie; von Königen wohl gelenkt,
Da das Gesetz die Macht beschränkt‘.
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Wie Menschen lebt‘ dies Völkchen nun
Und tat im kleinen, was wir tun:
Was je in Städten nötig war,
Was Schwert geziemt und auch Talar.
Nur warn sie winzig; ihr Geschick
Blieb drum verborgen unserm Blick;
Doch hatten sie Äquivalente
Für alle Menscheninstrumente:
Maschinen, Schiffe, Schlösser, Gärten,
Geschäfte, Waffen und Experten
Und da wir ihr Idiom nicht kennen,
Wolln wir die nach den unsern nennen.
So warn zwar Würfel nicht bekannt,
Doch herrschten Könige im Land,
Die Wachmannschaften unterhielten,
Und daraus folgt, dass diese spielten;
Man wüsste denn ein Regiment
Soldaten, das das Spiel nicht kennt.
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Der Bienen Zahl war riesig; sie
Bewirkte, dass der Stock gedieh.
Millionen waren dienstbereit
Zu stillen Lust und Eitelkeit;
Millionen brauchten ihre Stärke,
Um zu zerstörn, der erstern Werke.
Die halbe Welt versorgt‘ die Meute;
Arbeit gab‘s mehr als Arbeitsleute.
Wer nicht reich war, schonte seine Kräfte
Und wurde reicher durch Geschäfte;
Verdammt zur Sense und zum Spaten
Und Mühsal waren, die nichts hatten:
Elende Kärner, die halbtot
Sich schufteten ums täglich Brot;
(A) Indes von Handwerk sich ernährt
Und Kunst, die keine Schule lehrt,
Und die nicht Geld noch Referenz
Benötigt, gar Impertinenz,
Manch arbeitsscheuer Wicht, der klug
Profit aus fremder Arbeit schlug,
Als Kuppler, Spieler, Parasit,
Quacksalber, Dieb, kurz, als Bandit
Arglose Nachbarn listig narrte
Und sich viel Mühe so ersparte.
(B) Die hieß man Schurken, nicht als solche
Benannt warn die seriösen Strolche:
In jedem Amt war Mauschelei
Und kein Beruf von Arglist frei.
Die Advokaten, die sich halten
Durch Fehdenschürn und Fällespalten,
Anfechten sämtliche Kataster,
Denn Grundstücksschwindel brachte Zaster;
Als wäre gesetzlos der, der nicht
Sein Gut erstritten vor Gericht.
Prozesse wurden mit Bedacht
Verschleppt, dass man ja Reibach macht.
Galt‘s Schuften zu ersparn die Strafen,
Durchforschten sie die Paragraphen,
Wie Diebe Häuser observieren,
Wo sich ein Einbruch lässt riskieren.
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Für die Doktorn hat Ruhm und Geld
Mehr als der Kranken Wohl gezählt,
Und statt die Regeln ihrer Kunst
Studieren viele (Lob und Gunst
Von Apothekern, weisen Frauen
Zu hörn und Priestern, all den Schlauen,
Die an Geburt und Tod verdienen)
Gleichmut und ernste Denkermienen,
Item den Tratsch und Klatsch der Sippe
Und Tantchens Rezeptur bei Grippe
Stets höflich lächelnd zu ertragen
Und allen Schmeichelhaftes sagen
Und, schwerstes Los, gefasst zu leiden
Der Krankenschwestern Dreistigkeiten.
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Viel Priester gab es, Zeus zu loben
Und Segen zu erflehn von oben;
Ein paar davon gelehrte Männer,
Das Gros nur eifernde Nichtskönner;
Doch konnten alle jederzeit
Kaschieren Gier, Geiz, Eitelkeit;
Bekannt wie Seeleute für Rum,
Für Kohl die Schneider, warn sie drum.
Manch dürrer Pfaff, des Rock geflickt,
Um Brot Gebete aufwärts schickt‘
Und volle Speicher sich versprach;
Bekam doch nichts als Brot hernach.
Doch macht‘ der frommen Knechte Not
Wohl wett das frische Wangenrot
Der faulen Herrn, die unverdrossen,
Was ersteren gebührt‘, genossen.
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(C) Soldaten zwang ihr Stand zu morden
Die‘s überlebten, kriegten Orden;
Wer Fersengeld beim Metzeln gab
Dem schoß man leicht die Glieder ab.
Manch Feldherr macht‘ die Feinde hin,
Und mancher ließ für Geld sie ziehn.
Manch Heißsporn wollt stets vorne sein,
Verlor den Arm hier, dort das Bein
Und war als Invalid zuletzt
Auf halben Sold herabgesetzt.
Dafür zog mancher nie ins Feld
Und blieb daheim für doppelt Geld.
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Den Königen diente man – nur wie!
Ihre Minister täuschten sie:
Die Krone, der er untertan,
Bestahl so mancher Ehrenmann.
Der Lohn war karg, man schwelgte doch
Und rühmte sich dann redlich noch.
Sie beugten Recht, um zu verdienen,
Was Akzidenzien hieß bei ihnen,
Und riefen, war durchschaut die Tour:
„Das sind Emolumente nur!“
Und alle schwiegen vor sich hin,
Befragt‘ man sie nach dem Gewinn,
(D) Denn jedermann kassierte mehr,
Nicht als verdient, mein ich, als er
Gestand den andern, die bezahlten,
(E) Wie Spieler gern für sich behalten,
Warn sie auch fair, was sie bekommen
Von denen, die sie ausgenommen.
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Sie kannten Schliche ohne Maßen!
Das Pulver selbst, das auf den Straßen
Man feilbot als ein Düngemittel,
Fand mancher Kunde zu nem Drittel
Versetzt mit Stein und Mörtelstaub,
Und für Beschwerden warn sie taub.
Doch können Flegel sich beschweren,
Die Salz zu Butter frech erklären?
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Justitia selbst, als fair bekannt
Und blind, konnt tasten mit der Hand,
Die linke, die die Waage hielt,
Ließ los, sooft sie Geld gefühlt.
Zwar unparteiisch tat die Gute,
Ging es um Galgen oder Rute,
Gab acht, das peinlich regulär
Mord und Gewalt zu ahnden wär.
Manch Schwindler hing auch, wie‘s so geht,
Zuletzt am Strick, den er gedreht.
Indes ihr Schwert, man ahnt es, ach,
Hielt arme Teufel nur in Schach,
Die pure Not zu Gaunern machte
Und schließlich an den Galgen brachte.
Für Bagatelle gab‘s schwere Strafen,
So konnt der Reiche ruhig schlafen.
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In jedem Teile sündig zwar,
Ein Paradies das Ganze war;
Im Krieg gefürchtet, sonst begehrt,
Von aller Welt gerühmt, geehrt,
Verschwenderisch mit Gut und Leben:
Der Bienenvölker Zierde eben.
Das Heil des Staats war zweifellos:
Geballter Frevel macht‘ ihn groß.
(F) Die Tugend sah der Politik
Bald ab manch ausgepichten Trick,
Schloß Freundschaft mit dem Laster gar,
Was dann bewirkte, dass fürwahr
(G) Der größte Schurke selbst zum Schluss
Doch dem Gemeinwohl dienen muss.
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Staatskunst hielt den Komplex in Gang,
Warn auch die Teile ziemlich krank:
Wie Harmonie in der Musik
Die Patzer zudeckt mit Geschick,
(H) So stritten, wie zum Trotz, vereint
Parteien, die sich spinnefeind.
Es diente selbst die Mäßigung
Der Völlerei noch und dem Trunk.
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(I) Das Laster Geiz, die Schmach, die Pein,
Des Bösen Quell, musst Sklave sein
(K) Der noblen Sünde, der Verschwendung,
(L) Indem des Luxus Prachtaufwendung
Millionen Armen Arbeit schuf,
(M) Desgleichen Stolz, trotz üblem Ruf
(N) Die Eitelkeit selbst und der Neid
Warn Diener der Geschäftigkeit;
Ihr Hang zur Abwechslung indessen
Bei Kleidern, Mobiliar und Essen
War töricht, und doch trieb er wie
Ein Schwungrad an die Industrie.
Auch das Gesetzwerk unterlag,
Ganz wie die Tracht, dem Zeitgeschmack.
So galt, was sich zunächst geschickt,
Ein halb Jahr später als Delikt;
Durch stetes Modeln an den Rechten
Verbessert‘ man auch manche schlechten:
Was Klugheit nicht vermocht zur Zeit,
Vermochte Unbeständigkeit.
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So nährte Laster den Verstand,
Der sich mit Fleiß und Zeit verband,
Und schuf des Lebens Überfluss,
(O) Komfort, Vergnügen und Genuss,
(P) So reich, dass heut die Armen eben
Viel besser als einst Reiche leben.
Nichts fehlt, wonach sich lohnt zu streben.
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Glück ist auf Erden eitel. Lust
Hat Grenzen, die du kennen musst;
Vollkommenheit in diesem Leben
Hat uns der Himmel nicht gegeben.
Zufrieden ist mit seinem Staat,
Wer das einmal begriffen hat.
Doch diese Torn verfluchten gleich,
Schlug mal was fehl, das ganze Reich
Samt Kabinett, Armee und Flotte.
„Tod dem Betrug!“ schrie dann die Rotte:
Was man tagtäglich selbst getan,
Bei andern prangert man es an.
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Ein Kerl mit Riesenkapital,
Das Fürsten er und Bettlern stahl,
Rief: „Dieses Land muss untergehen
Bei soviel Falsch!“ Was glaubt ihr, wen
Der Tugendbold beim Wickel nahm?
‚nen Täschner, der für Zickel Lamm
verkauft‘.
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Nun schrie beim kleinsten Streich,
Den sie geführt, die Runde gleich,
Bei jedem Rechtsbruch, weit zu hören:
„O Götter! Wenn wir ehrlich wären!“
Merkur gefiel die Infamie,
Und andre nannten‘s Idiotie,
Zu schelten, was man liebt. Doch Zorn
Ergriff den Zeus. Er hat geschworn,
Lug und Betrug aus diesem Staat
Zu bannen, was er schleunigst tat.
Sogleich warn sie von Falsch befreit,
Und in ihr Herz zog Ehrbarkeit;
Nun sahn sie, welche Missetaten
Sie all die Zeit begangen hatten.
Vor Reue stumm konnt man sie finden,
Errötend über ihre Sünden:
Wie Kinder, wolln sie ein Vergehen
Verschleiern, dieses eingestehen
Durch Röte, wenn sie meinen, man
Säh ihnen, was sie denken, an.
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O Götter! Mächtig war der Schock,
Der Umschwung groß im Bienenstock!
Der Fleischpreis fiel zur selben Stund
Um einen Penny auf das Pfund.
Die Heuchlermasken warn bei allen,
Ob Staatsmann oder Clown, gefallen.
Die man gekannt in fremden Mienen,
Im eignen Antlitz fremd erschienen.
Auf dem Gericht zog Stille ein
Die Schuldner zahlten von allein
Selbst, was die Gläubiger schon vergaßen,
Wer blank war, kriegt‘ die Schuld erlassen
Wer unrecht hatte, hielt den Mund
Und prozessiert‘ nicht ohne Grund;
Worauf, da in solch biedrem Staat
Kein Anwalt mehr zu beißen hat,
Dieselben, bis auf die betuchten,
Samt Tintenfaß das Weite suchten.
Justitia hängt‘ noch ein paar auf
Und räumte alle Kerker, drauf
Zog sie mit ihrem Hofstaat ab,
Weil‘s nichts für sie zu tun mehr gab.
Die Schmiede durften vorn marschieren
Mit Gittern, Ketten, Eisentüren;
Die Kerkermeister folgten dann.
Der Göttin stolzgeschwellt voran –
Ihr treu wie stets und bester Dinge –
Schritt Rechtsvollstrecker Durchlaucht Schlinge;
Nicht mit dem sinnbildhaften Schwert,
Mit Strick und Beil, wie sich‘s gehört.
Die Schöne mit der Augenbinde,
Justizia, kam geschwebt im Winde
Auf einer Wolke. Als Eskorte
Warn um sie Büttel jeder Sorte,
Gerichtsvollzieher, Schergen eben,
Die gut von andrer Tränen leben.
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Und wie die Medizin floriert“!
Wer krank war, wurde jetzt kuriert
Von Ärzten mit viel Sachverstand,
Die‘s reichlich gab im ganzen Land.
Statt bei Disputen zu verweilen,
Waren Kranke sie bemüht zu heilen;
Statt Heilkräutern aus fremdem Land
Ward, was im eignen wächst, verwandt,
Da Zeus kein Volk mit Leiden straft,
Für die er dort nicht Heilung schafft.
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Kein Priester ließ sich faul vertreten
Von den Vikaren mehr beim Beten.
Die Götter pries, von Sünden frei,
Mit Opfern man und Litanei.
Es traten ab die Dilettanten,
Die sich von selbst entbehrlich fanden.
Denn für so viele war nicht Raum:
(Ein braves Volk braucht Pfaffen kaum.)
Ein paar nur blieben, treu ergeben
Dem Hohepriester. Diesem eben
Gehorcht‘ der Rest. Von Politik
Hielt sich der Geistliche zurück.
Er jagt‘ den Bettler nicht davon,
Drückt‘ nicht des armen Schluckers Lohn,
Teilt‘ mit dem Hungrigen sein Brot,
Half Tagelöhnern aus der Not,
Dem Wandersmann er Obdach bot,
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Auch beim Ministerrat der Bienen
Und allen, die dem König dienen,
Vollzog der Wandel sich: (Q) alsbald
Lebt‘ man bescheiden vom Gehalt.
Was früher Akzidenzien hieß
(Wenn ein Beamter betteln ließ
Zehnmal nen Armen um sein Geld
Und ‚s ihm am Schluss doch vorenthält
Und presst‘ ’ne Krone ihm zuletzt
Gebühr noch ab), hieß Schwindel jetzt.
Wo jedes Amt zuvor von dreien
Besetzt, die sich bei Schurkereien
Bewachten und trotz Kumpanei
Einander frech bestahlen dabei,
Wirkt‘ nun ein einzelner allein.
So spart man tausend Leute ein.
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(R) Auch lebt‘ kein Mann von Ehre mehr
Vom Schuldenmachen wie vorher
Livreen en masse im Leihhaus lagen.
Für‘n Pappenstiel gab Pferd und Wagen
Man her, verkauft‘ um ein paar Gulden
Sein Landgut gar, tilgt‘ so die Schulden.
Betrug und Prunksucht warn verbannt.
Kein Heer stand mehr in fremdem Land.
Die Bienen, nun bekehrt, verlachten
Weltruhm und Glanz, erlangt in Schlachten.
Doch tapfer focht die brave Schar,
Warn Recht und Freiheit in Gefahr.
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Seht, wie im Stock sich heute findet
Mit Handel Redlichkeit verbündet.
Der Prunk ist hin, geschrumpft der Staat,
Der sich nun ganz gewandelt hat.
Es gingen alle, die seit Jahren
Im Geldausgeben Meister waren.
Auch jene, deren Unterhalt
Von erstern abhing, gingen bald;
Sie fanden nirgends mehr zu leben,
Denn alle Ämter warn vergeben.
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Der Preis von Land und Häusern fiel.
Paläste, die erbaut aus Spiel-
Gewinn, wie Thebens Mauern, waren
Zur Miete frei. Die muntern Laren
Wollten im Feuer lieber sterben,
Als anzusehen, wie sie derben
Inschriften auf den Türen höhnen
Den ausgelöschten kostbar-schönen.
Kein Bauwerk sieht man mehr entstehen:
Der Handwerksmann muss müßig gehen;
(S) Des Malers Kunst rühmt man nicht mehr
Noch die von Steinmetz und Graveur.
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Die, die noch übrig waren, streben,
Maßvoll und schlicht fortan zu leben.
Sie zahlten alte Zechen gern
Und blieben dann den Kneipen fern.
Kein Wirtshausliebchen ging nun mehr
In Samt und Seide dreist einher;
Auch konnt man nirgends Geld mehr leihn
Für Wachteln und Burgunderweis.
Mitsamt Mätresse ist verschwunden
Der Geck, der ausgab in zwei Stunden,
Was‘ne Schwadron braucht im Quartal,
Und Pfauen speist‘ als Weihnachtsmahl.
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Die eitle Chloe, deren Gatte
(T) Für sie den Staat bestohlen hatte,
Verkauft jetzt Schränke und Kommoden,
Gerafft auf beider Indien Boden,
Kürzt den Etat an allen Enden
Und trägt ein Jahr die groben Hemden.
Vorbei ist‘s mit dem starken Ändern.
Man bleibt bei Moden und Gewändern.
Fort sind die Weber von Brokaten
Und die, die sie beliefert hatten.
An Glück und Wohlstand mangelt‘s nicht:
Preiswert ist alles, wenn auch schlicht.
Natur, befreit von Gärtnerzucht,
Lässt pünktlich reifen jede Frucht.
Nur Delikates fehlt alsbald,
Weil keiner die Erzeugung zahlt.
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Da‘s Stolz und Prunksucht nicht mehr gab,
Sahn sie auch von der Seefahrt ab.
Der Handel fiel in Agonie,
Mit ihm ein Teil der Industrie.
Kunst und Gewerbe siechten hin:
(V) Zufriedenheit ließ sie – Ruin
Des Strebens – eigne Schätze ehren
Und nichts von außerhalb begehren.
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Geschrumpft auf ein Prozent der Bienen
Von einst ist nun der Stock. Doch ihnen
Fällt‘s schwer, Erobrer zu verjagen,
Wiewohl sie sich recht tapfer schlagen
Beim Rückzug, und es heißt bei allen:
Die Stellung halten oder fallen.
Das Söldnertum war abgeschafft;
Sie kämpften kühn aus eigner Kraft.
Für Mut und Lauterkeit im Krieg
Belohnte schließlich sie der Sieg.
Nur mussten Tausende ihr Leben
Für den Triumph der Freiheit geben.
Gestählt durch Müh und Arbeit, galt
Behaglichkeit als Laster bald
Dem Schwarm. Sich weiter zu bescheiden
Und allen Luxus ganz zu meiden,
Nahm er im hohlen Baum Quartier,
Lebt sittsam und zufrieden hier.
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Die Moral
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Klagt nicht, denn dass ein Staat, der groß,
(X) Auch redlich wird, wünscht Torheit bloß.
(Y) Dass man die Wonnen dieser Welt
Genießt und erntet Ruhm im Feld
Und lebt in Wohlstand sündenfrei,
Ist Utopie und Träumerei.
Falsch, Dünkel, Pomp muss existieren
Da wir von ihnen profitieren:
der Hunger ist ein Fluch, ein Grauen,
Doch wer will ohne ihn verdauen?
Stammt nicht der Wein, der unser Leben
Erfrischt, aus dürren, krummen Reben?
Stutzt man den Wuchs nicht rigoros,
Verholzt der Weinstock, wuchert bloß,
Der edle Früchte uns bereitet,
Wenn man ihn bindet und beschneidet.
So kann auch Laster nützlich sein,
Schränkt das Gesetz es weise ein.
Ja, will das Volk nach Größe streben,
Muss es im Staat auch Sünde geben,
Wie‘s Hunger braucht zum Überleben.
Allein von Tugend kann auf Erden
Kein Staat groß, reich und mächtig werden.
Wollt ihr die Goldnen Zeiten wieder?
Da aß man Eicheln und war bieder.“
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FINE E COMPATTO
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