Flaschenpost 39
zu Lichtgeschwindigkeit 39, von Dr. Dietmar Moews
im Alphons-Silbermann-Zentrum Berlin, dem ungeschnittenen
Auswendigformat der täglichen Presseschau in
Lichtgeschwindigkeit der Themen während der
Koalitionsverhandlungen, nach den Parlamentswahlen
am 27. Sept. 2009;
von Dr. Dietmar Moews im Alphons-Silbermann-Zentrum Berlin;
Aufnahmezeit um 20.45 Uhr;
Piratenthema hier: Fehlstart in die Freiheit. Beim großen
Thema des Liberalismus, den Bürgerrechten, hat die
FDP schon versagt – aber die Sprecher der Piraten sind
in der Dienstklasse untergegangen, dazu Frankfurter Rundschau
und zweimal Frankfurter Allgemeine Zeitung
Themen:
1. Die Frankfurter Rundschau von Montag, 19. Okt. 2009,
die sozialdemokratische Heimatzeitung Deutschlands,
vertritt die Apo. >Fehlstart für die Freiheit< – lautet der
Leitartikel der Frankfurter Rundschau auf Seite 11.
Der Kommentar von Stephan Hebel trifft den Kern des
großen Themas der Piratenpartei Deutschlands,
Liberalismus und Bürgerrechte. In den Koalitionsverhandlungen zwischen den Unionsparteien und der FDP in Berlin.
Es heißt: …An mindestens einer Stelle allerdings hat
Schwarz-Gelb schon jetzt gezeigt, wohin die Reise geht.
Es ist die Stelle, wo es einer freiheitlichen Gesellschaft
am ehesten weh tut – vorausgesetzt jedenfalls,
man versteht unter Freiheit etwas anderes als nur die
Ungestörtheit wirtschaftlichen Unternehmertums.
Es ist der Bereich der inneren Sicherheit. Und hier hat der
organisierte Liberalismus schon jetzt weitgehend versagt.
Was die FDP bei Knackpunkten von Freiheit und
Selbstbestimmung im Informationszeitalter „erreicht“ hat,
zum Beispiel bei Online-Durchsuchung und Datenspeicherung,
das ist ein Armutszeugnis. Die umstrittensten „Sicherheits“-
Gesetze der Ära Schäuble bleiben bestehen – mit einigen
neuen, aber absolut unzureichenden Einschränkungen
bei Genehmigung und Durchführung der Schnüffelei.
Man muss kein Prophet und nicht mal Wahlforscher sein,
um zu erraten, dass selbst eingefleischte Gegner von
Schwarz-Gelb in der Innenpolitik nach der Wahl ein paar
Hoffnungsschimmer sahen. Wer – unabhängig von sonstigen
politischen Vorlieben – im Spannungsverhältnis von innerer
Sicherheit und Bürgerrechten auf möglichst große Liberalität
setzt, hatte ja auch einigen Grund zum Optimismus.
Denn die SPD war in der Großen Koalition zwar den
schlimmsten Schäubleschen Angriffen auf den Geist
des Grundgesetzes entgegengetreten, zum Beispiel
beim Einsatz der Bundeswehr im Inneren. Aber wenn es
darum ging, die Bürger mit dem niemals belegten Argument
der größeren Sicherheit auszuspähen, stand sie
nicht gerade wild entschlossen auf der Seite der Freiheit.
Die Westerwelle-FDP sei keineswegs nur wirtschaftsliberal –
die Piratenpartei könne sich ruhig auflösen, hieß es aus den
Jungliberalen, die nicht kapiert hatten, wie sehr die FDP
jetzt bei den Bürgerrechten eingebrochen ist.
Der Vorsitzende habe im Rahmen der Umschulung auf
Seriösität auch den Wert von Recht und Freiheit ausreichend
schätzen gelernt. Der Schutz vor Daten-Ausspähung,
die rechtsstaatliche Begrenzung und Kontrolle der Strafverfolgungsbehörden, der Kampf gegen die Illusion
totaler Sicherheit auf Kosten der Freiheit – all das sei bei
der FDP des Jahres 2009 bestens aufgehoben.
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger war für Mut und
Konsequenz bekannt, seit sie 1995 unter Kanzler
Helmut Kohl aus Protest gegen den Großen Lauschangriff
als Justizministerin zurücktrat. Stellen wir uns vor,
sie bekäme dieses Amt jetzt erneut. Die Kämpferin gegen
das immer unverschämtere Spähen und Lauschen als
Hüterin der Gesetze, die ihr Gegenpart Wolfgang Schäuble
erfand? Und das mit unverändert guter Laune,
nur weil jetzt ein höherer Richter die Online-Durchsuchung
genehmigen muss? Was Leutheusser-Schnarrenberger
vergangene Woche in fröhlichem Einvernehmen mit
Schäuble verkündete – wenn es so kommt, ist es ein
Armutszeugnis für die angebliche Bürgerrechtspartei FDP. …
Wenn die FDP nicht noch aufwacht, dann startet die
schwarz-gelbe Koalition mit einer Ermutigung für die
Schäublesche Linie der vermeintlichen Sicherheit um
fast jeden Preis. Sollte sie aber aufwachen, die FDP,
dann könnte sie der Freiheit doch noch einen Dienst
erweisen. Dann sollte sie um die Besetzung des
Innenministeriums kämpfen – zum Schutz der Freiheit
statt zu ihrer Begrenzung.
Die FR hat ferner auf der Titelseite das Thema der
Hartz4-Kinder und erlangt mehr Hilfe für arme Kinder.
2. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 19. Okt. 2009
bietet auf der Titelseite nichts zur Gesellschafts- und
Innenpolitik, stattdessen ein Foto mit dem Hindukusch,
als wolle man den deutschen Soldaten zeigen,
wofür sie in der Lüneburger Heide trainiert hätten:
in den Bergen Afghanistan kann man nicht kämpfen.
Ich bin der Meinung, da sollte man auch gar nicht kämpfen.
Aber was sagen die Piraten?
Die FAZ ist voller IT-wirtschaftlicher Themen, so,
als käme die IT-Politik als Nebeneffekt von Telematik
und Marketing.
Aus der FAZ vom Samstag, 17. Okt. 2009 ist zu Bürgerrechten
und Datenschutz allerdings eine Sottise auffällig,
die hier kritisiert wird: >Angstmache statt Aufklärung<
schreibt ein Alterssportler aus dem Fach des Staatsrechts,
ganzseitig, Professor Dr. Hans Peter Bull.
Hierzu werden ich bei nächster Gelegenheit die Qualität
des Bull-Shits in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung aus
Piratensicht beantworten, wozu dieser Angstmache-Artikel
in drei Punkten ruft.
Nicht ungerügt darf bleiben, was sich die Piratenpartei
Deutschland am Wochenende aus amateuristischer Sicht
zum Thema Bürgerrechte leistete. Die Piraten-Presseabteilung
stellte ein aktuelles Interview mit dem Münsteraner
Bundesvorsitzenden der Piraten, Jens Seipenbusch,
ins Piratenpartei.de online. Der Pirat sagte auf die Frage:
Antwort:
Da es sich bei der Thematik Bürgerrechte, IT-Politik
und Kompetenzrecht um das Piratenthema zur inneren
Sicherheit schlechthin drehte und es das Datum nach der
Wahl war, an dem die Piratenpartei als Apo hätte zur
Stelle sein müssen, mutet die Tatsache, dass hier die
Akteure nicht auf der Höhe und nicht in Kenntnis der
Sachlage der Koalitionsverhandlungen zu sein schienen,
als grobe Unfähigkeit an. Es ist ein Schlag ins Gesicht
aller Piraten, die sich für Freiheit statt Angst parteipolitisch
einsetzen.
Aufnahmezeit um 20.45 Uhr;
Produktion, Performance, Autor, Direktion: Dr. Dietmar Moews;
Aufnahmetechnik und Admin: Piratencrew Berlin
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